Wie Le Pen von der Bildfläche verschwand

von Redaktion

Aufstand der Anhänger bleibt nach Schuldspruch aus – Bardella will Rechtspopulistin ersetzen

München/Paris – Ende März der Schuldspruch, danach ein paar Solidaritätsbekundungen – und dann Stille. Um die Frontfrau des Rassemblement National (RN) Marine Le Pen ist es auffällig ruhig geworden. Wegen der Veruntreuung von EU-Geldern wurde die Rechtspopulistin zu vier Jahren Haft verurteilt. Zwei auf Bewährung, zwei mit elektronischer Fußfessel. Das Gerichtsurteil verbietet ihr zudem, bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich 2027 zu kandidieren. Der große Aufschrei unter ihren Anhängern ist jedoch ausgeblieben.

Knapp eine Woche nach der Verurteilung von Le Pen hatten sich gerade mal ein paar tausend Unterstützer in Paris zu einer Solidaritätskundgebung versammelt – für die RN-Fraktionschefin dürfte das enttäuschend wenig gewesen sein, denn eigentlich hatte sie sich einen frankreichweiten Protest gewünscht. RN-Chef und Le Pens rechte Hand, Jordan Bardella, kündigte sogar an: „Wir werden in den nächsten Wochen überall vor Ort sein.“ Wie die „Zeit“ berichtet, haben die Anhänger jedoch selbst in den rechten Hochburgen des Landes gelassen auf das Le-Pen-Urteil reagiert.

Gegen das Urteil sind bereits Berufungsanträge eingegangen. Das zuständige Gericht hat angekündigt, die Entscheidung darüber bis Sommer 2026 zu fällen – rechtzeitig vor der Präsidentschaftswahl 2027. Das wäre ungewöhnlich schnell. Sollte Le Pen jedoch von den Wahlen 2027 ausgeschlossen bleiben, könnte die Stunde von Jordan Bardella schlagen: Der erst 29-Jährige stärkt der Rechtspopulistin schon lange den Rücken, gilt als ihr politischer Ziehsohn. Inhaltlich unterscheiden sich die beiden kaum: Beide machen Stimmung gegen Migranten, sind Euro-Skeptiker und gegen Waffen für die Ukraine.

Doch seit Le Pen von der Bildfläche verschwunden ist, eröffnen sich ihm neue Karrierechancen: Der Pariser Tageszeitung „Le Parisien“ sagte Bardella, dass er selbst als Präsidentschaftskandidat nachrücken wolle, sollte Le Pen weiterhin nicht antreten dürfen. Ursprünglich wollte sie ihn im Falle eines Wahlsiegs zu ihrem Premier machen – nun wird in Paris spekuliert, ob sie die Rollen tauschen und Bardella Le Pen als Premierministerin einsetzt, sollte er die Präsidentschaftswahl gewinnen. Juristisch wäre das möglich.

Vor allem bei Jungwählern kommt der Politiker gut an. Knapp ein Drittel der 18- bis 24-Jährigen hat bei der Europawahl 2024 für ihn gestimmt. In Umfragen verzeichnen die beiden teilweise sogar die gleichen Werte. Wie die französische Zeitung „Le Figaro“ außerdem berichtet, glaubten sechs von zehn Franzosen, dass die Verurteilung von Le Pen kein Handicap für den RN darstelle. Den Franzosen scheint es demnach wohl eher um eine politische Veränderung im Land zu gehen – und weniger um Le Pen selbst.
FRANZISKA WEBER

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