Die Kardinäle der katholischen Kirche gehen ab kommendem Mittwoch mit ihren eigenen Vorstellungen ins Konklave. Die Konservativen wollen einen Papst, der wieder Ordnung in das Moralgerüst der Kirche bringt, Klarheit in der Doktrin fördert und ein traditioneller Kompass ist in unruhigen Zeiten.
Die Modernisierer wünschen sich hingegen einen Mann, der das Erbe von Franziskus weiterführt und die vom Papst aus Argentinien angestoßenen Prozesse zu Ende bringt. Mehr Frauen in der Kirchenleitung, mehr Anerkennung für Homosexuelle, mehr Sorge für die Ausgegrenzten. Und dann sind da noch die Partikularinteressen Afrikas und Asiens. Gut möglich, dass wie 2013 auch der nächste Papst eine Überraschung wird.
Was aber, wenn man kein Kardinal ist, kein Zugehöriger irgendeiner kirchlichen Strömung oder schlicht kein Katholik? Was für einen Papst braucht die Welt jetzt, zu Beginn des 21. Jahrhunderts? Braucht die Welt überhaupt noch so eine Figur? Höchstwahrscheinlich würde der Lauf der Zeiten irgendwie auch ohne den Stellvertreter Christi auf Erden zurechtkommen. Der Papst ist aber durch seine Sonderstellung und Machtfülle in der katholischen Kirche ein Bezugspunkt weit über die Grenzen seiner 1,4 Milliarden Kirchenmitglieder hinaus.
Das war erst neulich wieder beim Franziskus-Begräbnis zu sehen. So viele Weltpolitiker kommen nicht, wenn ein evangelischer Ratsvorsitzender oder ein Großimam stirbt. Der nächste Papst sollte vor allem diesem weltumfassenden Anspruch genügen. Als Menschenfreund, als Stimme der Benachteiligten, als großmütiger Mann in Zeiten großer Egos und als Manager des Friedens in einer Welt, die aus den Fugen zu geraten scheint.