Putins langer Arm nach Bukarest

von Redaktion

Verbündete feiern den Wahlsieg: George Simion (li.) gab sich als Rächer für den ausgeschlossenen Kandidaten Calin Georgescu (Mi.). © epa

München/Bukarest – Er bezeichnet sich selbst als „Trumpisten“, trägt auf Demos rote MAGA-Kappen, darf in zwei Nachbarländer nicht einreisen – und könnte bald Präsident Rumäniens werden. George Simion, ultrarechts, euroskeptisch und russlandfreundlich: Der 38-Jährige kam bei der ersten Runde der Präsidentenwahl am Sonntag auf fast 41 Prozent der Stimmen. Er geht damit als klarer Favorit in die Stichwahl am 18. Mai.

Simions klarer Erfolg erschüttert Bukarest. Ministerpräsident Marcel Ciolacu hat am Montagabend seinen Rücktritt erklärt. „Angesichts der Wahlergebnisse“ habe seine bürgerlich-sozialdemokratische Regierung keine Legitimität mehr. Die Minister bleiben zwar noch bis zur Stichwahl im Amt, aber die Koalition ist faktisch zerbrochen.

Es ist der Höhepunkt einer politischen Krise, in der Rumänien inzwischen seit Monaten steckt: Der Wahlgang am Sonntag war bereits der zweite Anlauf, nachdem die erste Abstimmung im November 2024 annulliert wurde. Damals hatte der Rechtsradikale Calin Georgescu überraschend gewonnen. Der parteilose Kandidat galt zuvor als weitgehend unbekannt, wurde von den klassischen Medien kaum beachtet und lag in Umfragen bei gerade mal vier bis sieben Prozent – doch seine Videos auf TikTok wurden hunderttausendfach verbreitet. Dort präsentierte er sich als Putin-Freund und bezeichnete die EU als gescheitertes Projekt. Über Nacht wurde der 63-Jährige zum Politstar. Doch kurz vor der Stichwahl entschied das oberste Gericht Rumäniens, dass die Präsidentschaftswahl wegen russischer Einflussnahme wiederholt werden muss. Georgescu durfte nicht wieder antreten.

Monatelang hatten seine Anhänger gegen die Annullierung der Wahl protestiert. George Simion konnte diese Stimmen nun für sich einfangen: Der Parteichef der rechtsextremen AUR präsentierte sich im Wahlkampf als Rächer, versprach immer wieder „Gerechtigkeit“ für Georgescu, sollte er die Wahl gewinnen – möglich wäre etwa, ihm ins Amt des Ministerpräsidenten zu verhelfen. Die beiden sind am Sonntag sogar demonstrativ gemeinsam zur Stimmabgabe gegangen.

Inhaltlich unterschieden sich die Verbündeten kaum. Auch Simion hat seinen Erfolg vor allem seiner riesigen Reichweite auf TikTok zu verdanken: Seinen 1,4 Millionen Followern gibt er sich volksnah und bodenständig, als jemand, der sich gegen die politische Elite auflehnt und Russland nicht als Gefahr betrachtet. In den beiden Nachbarländern Ukraine und Moldau hat er bereits ein Einreiseverbot: Beide Staaten werfen ihm vor, mit dem Kreml zusammenzuarbeiten und die nationale Sicherheit zu gefährden.

Sollte Simion die Stichwahl in zwei Wochen gewinnen, könnte das sowohl für die EU als auch die Nato weitreichende Folgen haben: Das Land teilt sich eine 600 Kilometer lange Grenze mit der Ukraine und gilt als einer der wichtigsten Unterstützer des angegriffenen Landes: Rumänien leitet nicht nur Waffen und Hilfsgüter über sein Territorium in die Ukraine, es unterstützt Kiew auch mit eigenen Lieferungen. Außerdem gilt Rumänien als wichtigstes Nato-Land in Südosteuropa, vor allem seitdem die Türkei immer mehr als unberechenbarer Partner wahrgenommen wird. Simion dürfte als Präsident für einen außenpolitischen Kurswechsel sorgen: Erwartet wird, dass er sich EU-feindlichen Regierungschefs wie Viktor Orbán (Ungarn) und Robert Fico (Slowakei) anschließen könnte.

Die EU wird nun auf Simions Konkurrenz hoffen: Bei der Stichwahl tritt er gegen den liberalkonservativen, parteilosen Bukarester Bürgermeister Nicusor Dan an. Allerdings sind seine Aussichten schlecht: In der ersten Wahlrunde lag Dan mit großem Abstand (21 Prozent) hinter Simion.

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