Freundliche Gesten, harte Worte: Nancy Faeser (SPD) und ihr Nachfolger Alexander Dobrindt (CSU) bei einem Fototermin vor dem Innenministerium. © Christoph Soeder/dpa
Berlin – Der äußere Anschein ist harmonisch, aber der Start wird in Wahrheit schroff. Mit breitem Lächeln empfängt Ex-Ministerin Nancy Faeser ihren Nachfolger vor dem Ministerium, tätschelt im Sonnenschein seinen Arm. Ein paar uniformierte Bundespolizisten stehen bereit. „Grüß Gott zusammen“, ruft ihnen Alexander Dobrindt mit bayerischer Färbung zu. Kaum hat er das Haus betreten, ist aber Schluss mit großer Herzlichkeit: Mit einem ziemlichen Rumms befiehlt der neue Minister eine harte Kurswende in der Migrationspolitik.
In den ersten Minuten im Amt hat der CSU-Minister angeordnet, schrittweise immer mehr Asylbewerber ohne Papiere an der Grenze abzuweisen. Es ist das Ende der seit September 2015 mündlich verordneten Praxis gegenüber der Bundespolizei, erstmal jeden reinzulassen. Auch wer Asyl begehrt, kommt jetzt zunächst ohne Papiere nicht weiter. „Das ist notwendig, um einer Überforderung der Kommunen entgegenzuwirken“, sagt er. Die Zahlen seien „nach wie vor zu hoch“. Er verspricht, „vulnerable Gruppen“ nicht an der Grenze abzuweisen; das gilt für Minderjährige und für Schwangere.
Im nächsten Schritt will Dobrindt die 11 000 Bundespolizisten an der Grenze um 2000 bis 3000 Kräfte verstärken. Hinzu kämen in Kürze Mobile Kontroll- und Überwachungseinheiten, berichtet der „Spiegel“. Außerdem sollten die Beamten in den Grenzinspektionen künftig in mehreren Zwölf-Stunden-Schichten rotieren. Möglichst viele Beamte im Homeoffice sollen zu den Einheiten zurückgeholt werden. Die Zahl der Grenzkontrollstellen, rund 50, soll spürbar steigen. In Gewerkschaftskreisen der Bundespolizei werden die Überlegungen im Kern bestätigt; auch die Schleierfahndung werde kräftig ausgebaut.
Dobrindt sagt, all das werde für die Polizei Mehraufwand bedeuten. Es werde aber Entlastung geben, weil die Fallzahl der Migranten sinke. Man wolle ein Europa der offenen Grenzen, brauche bei der Migration aber „Klarheit, Konsequenz und Kontrolle“. Die Regierung sei bereits in Gesprächen mit den deutschen Nachbarländern, er als Minister ebenso wie der Bundeskanzler.
Es wirkt so, als äußere sich Dobrindt am ersten Ministertag öffentlich noch sehr vorsichtig. Die Unions-Spitzen preisen das als „Migrationswende“. Wenn die Migration nicht begrenzt werde, werde die Demokratie geschwächt, meldet sich CSU-Chef Markus Söder aus München. Von Faesers SPD kommt trotzdem umgehend Widerspruch. Wer nach Deutschland komme und laut Grundgesetz einen Asylanspruch besitze, müsse auch die Möglichkeit haben, dass dieser geprüft werde, sagt Fraktionsvize Dirk Wiese. „Das ist auch im Koalitionsvertrag tatsächlich so besprochen worden.“ Dobrindt wisse das doch.
Auch im Ministerium scheint es an Tag eins noch drunter und drüber zu gehen. Dobrindts erster Auftritt verzögert sich um Stunden, für Nachfragen ist den ganzen Tag über niemand greifbar. Das ist eher ungewöhnlich auch angesichts der politischen Wucht des Vorhabens. Für Kanzler Merz war die Schließung der Grenzen per Richtlinienkompetenz am ersten Tag ein zentrales Wahlversprechen.
Zumindest die politische Spitze ist seit frühem Mittwochabend neu aufgestellt. Neben Dobrindt rücken die neuen Staatssekretäre in den festungsartig gesicherten Bau in Berlin ein. Darunter ist die Rosenheimer Abgeordnete Daniela Ludwig (CSU); hinzu kommt der Hamburger CDU-Politiker Christoph DeVries.