Union überdenkt Verhältnis zur Linken

von Redaktion

Kanzleramtschef Frei offen für Aufhebung des Unvereinbarkeitsbeschlusses – Söder dagegen

Charmeoffensive: Fraktionschef Spahn verhandelt mit Reichinnek (Linke). © dpa

Berlin – Es ist eine eigentlich undenkbare Szene: Heidi Reichinnek, der Star der Linkspartei – gerade eben erst hat die 37-Jährige öffentlich zum Sturz des Kapitalismus aufgerufen. Nun steht sie nach der denkwürdigen Wahlpanne von Friedrich Merz im Bundestag und lacht, während Jens Spahn und Alexander Dobrindt sie zu umgarnen versuchen. Das Bild der drei Politiker macht in den Sozialen Medien schnell die Runde. Ist das etwa eine erste Annäherung zwischen Union und Linke?

Jedenfalls wäre Friedrich Merz ohne Heidi Reichinnek am Dienstag wohl nicht mehr zum Kanzler gewählt worden. Spahn und Dobrindt waren auf ihre Hilfe angewiesen, um nach dem Debakel am Vormittag noch am selben Tag einen zweiten Wahlgang durchführen zu können. Für die Union war es die Wahl zwischen Pest und Cholera: Für die Fristverkürzung brauchte es eine Zweidrittelmehrheit, also entweder Stimmen der inzwischen gesichert rechtsextremen AfD – oder eben der Linken, mit der die CDU seit 2018 eine Zusammenarbeit kategorisch ausschließt.

Inzwischen zeigt sich Kanzleramtschef Thorsten Frei aber offen dafür, den Unvereinbarkeitsbeschluss abzuschaffen. „Wir werden gemeinsam darüber zu sprechen haben“, sagt der CDU-Politiker den Sendern RTL und ntv. Der Beschluss könne zwar nicht mit einem Federstrich außer Kraft gesetzt werden. „Aber mit Sicherheit sind wir in einer Situation, wo wir die eine oder andere Frage neu bewerten müssen.“

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder versucht derweil, die Idee im Keim zu ersticken: Es kündige sich „gar nichts“ Neues an, sagte der CSU-Chef gestern. Bei den Gesprächen mit der Linkspartei sei es nur um eine Geschäftsordnungsfrage gegangen. „Das hat nichts mit der Zusammenarbeit zu tun. Ich halte es für völlig überhöht.“ Die Debatte sei „völliger Quatsch“.

Parteikollege Dobrindt schließt hingegen auch für die Zukunft Gespräche mit der Linkspartei nicht aus, wenn man im Bundestag noch einmal eine Zweidrittelmehrheit brauchen sollte. Mitverhandler Spahn schlägt da allerdings andere Töne an: Bei dem Antrag zur Fristverkürzung sei es nur um einen geschäftsmäßigen Antrag zur Tagesordnung gegangen, rechtfertigte er. „Das verstößt weder gegen den Unvereinbarkeitsbeschluss noch hebt es ihn auf.“ Dieser gelte weiterhin.

Linken-Chefin Ines Schwerdtner forderte die Union hingegen auf, künftig stärker mit ihrer Partei zusammenzuarbeiten. Sie erwarte, dass sich die Union nicht nur melde, „wenn die Hütte brennt, sondern auch bei anderen politischen Entscheidungen, wenn eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist“.
KAB/AFP

Artikel 11 von 11