Belastendes auf 1108 Seiten

von Redaktion

Unter Druck: Die AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla. © Macdougall/AFP

München – 1108 Seiten stark ist das Gutachten, mit dem das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) den „gesichert rechtsextremistischen“ Charakter der AfD belegen will. Vergangene Woche veröffentlichte die scheidende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) das Werk. Doch während die Debatte über die Rechtspartei und ein Verbotsverfahren seitdem rasant Fahrt aufnahm, blieb das Gutachten selbst unter Verschluss. Aber nur kurz.

Am Mittwoch gelangte zunächst ein 18 Seiten starker Auszug mit einschlägigen Äußerungen von Parteivertretern an die Öffentlichkeit, Stunden später legte der „Spiegel“ mit einer Auswertung des gesamten Gutachtens nach. Darin kommt der Inlandsnachrichtendienst zu dem Ergebnis, die „verfassungsfeindliche Ausrichtung“ der AfD habe sich „zur Gewissheit verdichtet“.

Als Beleg führen die Autoren unter anderem hunderte von Zitaten auf, die sie von AfD-Vertretern gesammelt haben. Insgesamt 353 Personen, von der Kreisebene bis hinauf in die Parteispitze. Zu Wort kommt etwa der Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider aus Sachsen-Anhalt, der 2023 auf einer Demo behauptete, die Bundesregierung habe „dem eigenen Volk den Krieg erklärt. Wenn wir eine Regierung haben, die gegen uns Krieg führt, dann führen wir Krieg gegen diese Regierung. Wir sind gekommen, diese Gestalten aus ihren Sesseln zu vertreiben.“

Das Gutachten zeichnet die konsequente Radikalisierung innerhalb der AfD nach: von einer völkisch-nationalistischen Positionierung eines Teils der Partei, angeführt vom Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke, über den Abgang vergleichsweise noch liberaler Vertreter wie Ex-Chef Jörg Meuthen bis hin zu einer weiteren rhetorischen Eskalation in den jüngsten Wahlkämpfen für mehrere ostdeutsche Landtage und den Bundestag 2024 und 2025. „Eine Mäßigung“, schlussfolgert der Verfassungsschutz, „ist nicht ersichtlich.“ Moderatere Kräfte könnten sich nicht mehr durchsetzen.

Die Autoren bescheinigen der AfD eine „fremdenfeindliche Haltung in der obersten Führungsstruktur“. Als besonders heikel erachten sie dem „Spiegel“ zufolge den „ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff“ – eine Unterscheidung zwischen „echten“ Deutschen und „Passdeutschen“. Die sei unvereinbar mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde. Auf fast 400 Seiten führt das Gutachten Zitate auf, die diese These stützen.

Die Beispiele, die das Magazin nennt, sind dann auch vielfältig. Allesamt geschmacklos („Flutung Europas mit Musels“), oft beklemmend drastisch („Halb Afrika darf widerstandslos über die deutsche Grenze spazieren und sich unser Land als Beute nehmen“). Dass sie allerdings geeignet wären, ein Verbotsverfahren voranzutreiben, lässt sich bei aller Polemik längst nicht immer behaupten.

Anders sieht es aus, wenn es um das Demokratieverständnis der Rechten geht. Das Gutachten äußert den „starken Verdacht“, dass die AfD neben der Menschenwürde von Minderheiten auch dem Demokratieprinzip im Grundgesetz den Kampf ansage und dem politischen Gegner die Existenzberechtigung abspreche. Parteien der Mitte werden da als „Helfershelfer der Deutschlandplünderer“ tituliert.

Gleichzeitig befasst sich das Gutachten mit dem Umfeld der Partei, zu dem Rechtsideologen wie der Verleger Götz Kubitschek oder der österreichische Aktivist Martin Sellner ebenso zählen wie der Verein „Ein Prozent“, der eine „patriotische Wende“ anstrebe. Das BfV kommt zu dem Ergebnis, dass der Verschwörungsmythos eines „Großen Austauschs“, mit dem die Regierung das Volk durch Migranten ersetzen wolle, ein zentraler Pfeiler der AfD-Politik geworden sei. Als Konsequenz fordere sie immer unverhohlener eine „Remigration“ – zum Teil mit dem Hinweis „millionenfach“.

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