Neue Töne der Trump-Regierung

von Redaktion

München/Washington – Die Nervosität des Publikums war spürbar, als JD Vance im Willard Hotel in Washington auf die Bühne trat. Bei seinem letzten Auftritt vor internationalen Diplomaten hatte der US-Vizepräsident die transatlantischen Beziehungen mit dem Vorschlaghammer eingerissen. Seine Brandrede auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) im Februar hinterließ eine Wunde, die noch immer nicht verheilt ist, und löste Zweifel darüber aus, ob die USA und Europa noch dieselben Werte teilen. Doch bei seinem Auftritt auf der dieswöchigen MSC-Exkursion in die USA schlug Vance plötzlich milde Töne an.

„Ich glaube sehr wohl, dass die Vereinigten Staaten und Europa immer noch im selben Team spielen“, sagte er im Gespräch mit dem ehemaligen Siko-Vorsitzenden Wolfgang Ischinger. Während er in München noch geklagt hatte, nicht Kremlchef Wladimir Putin, sondern die Einschränkung der Meinungsfreiheit sei die größte Gefahr für die Freiheit Europas, präsentierte sich der Vize von US-Präsident Donald Trump nun versöhnlicher: Es gebe zwar Differenzen beim Thema Meinungsfreiheit, aber jedes Land ziehe da die Grenze eben etwas anders. Vance schien darum bemüht, das transatlantische Verhältnis nicht noch stärker zu belasten.

Der „europäische Albtraum“, von dem der schockierte Siko-Chef Christoph Heusgen nach Vance‘ Rede im Februar sprach, könnte also vorbei sein. Bei dem Transatlantiker-Treffen im Willard Hotel sagte Vance, er halte die Unterstellung, er wolle einen Keil zwischen die USA und Europa treiben wollen, für „lächerlich“. Auch seine Kritik an der Verfassungsschutz-Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch wiederholte er nicht. Beim Thema Zölle ruderte Vance ebenfalls zurück und sagte, die USA wünschten sich lediglich etwas mehr Fairness: „Ich glaube, mit Europa wird dies eine sehr einfache Unterhaltung.“ Erkennt die Trump-Regierung nach Monaten der transatlantischen Krise, dass sie den alten Verbündeten Europa doch noch braucht?

Für den neuen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) dürfte der versöhnliche Auftritt des US-Vizepräsidenten jedenfalls eine Erleichterung darstellen. Merz steht vor einem außenpolitischen Härtetest: seinem ersten Telefonat mit Vance‘ Chef Donald Trump. Darin wird es wohl um den Ukraine-Krieg, die Unterstützung der US-Regierung für die AfD und Trumps Zollpolitik gehen. „Wir werden offen miteinander reden“, kündigte Merz im Vorfeld an. Er wolle Trump unter anderem dazu ermuntern, „die Innenpolitik in Deutschland Innenpolitik sein zu lassen“.

Merz hoffe außerdem, er könne Trump von den Vorteilen des Freihandels überzeugen, sagte er dem Sender Welt TV. „Die Erfahrung, die wir in Europa gemacht haben, mit offenen Grenzen, mit freiem Handel, ist, dass dies am Ende allen nutzt. Die Beziehungen zwischen Wirtschaftsnationen sind kein Nullsummenspiel, sondern wenn die Bedingungen gut sind, können alle davon profitieren“, erklärte der Bundeskanzler. Er werde dem US-Präsidenten vorschlagen, „zu Vereinbarungen zu kommen zwischen Europa und Amerika, was die Zölle betrifft“ – sowie zur Erleichterung der „gegenseitigen Anerkennung von technischen Standards“, kündigte er an.

Persönlich kennen sich Trump und Merz bislang nicht. Zu einem ersten Treffen wird es auf dem Nato-Gipfel Ende Juni in Den Haag kommen – geht es nach Merz „vielleicht auch früher“. Zugutekommen könnte dem neuen Kanzler im Umgang mit Trump, dass sie beide eine Abneigung gegenüber Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) teilen sollen.

In Sicherheit kann sich Merz dennoch nicht wiegen. Obwohl sich Vance vor den Diplomaten im Willard Hotel versöhnlich zeigte, bleibt die Trump-Regierung unberechenbar. Viele Abgesandte erschienen gar nicht erst zum Transatlantiker-Treffen. Weder der Ukrainebeauftragte Keith Kellogg noch der Sondergesandte Richard Grenell nahmen teil. Auch Außenminister Marco Rubio, der zuletzt von „verkappter Tyrannei“ in Deutschland gesprochen hatte, verzichtete auf den Termin.
MIT DPA

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