Nach der Wahl segnet der neue Papst Passanten.
Der Bruder des neuen Papstes, John Prevost, zeigt ein Foto seiner Brüder. Robert Prevost ist ganz links zu sehen. © AP
Seine erste Messe als Papst feierte Leo XIV. gestern mit den Kardinälen in der Sixtinischen Kapelle zum Abschluss des KOnklaves. © VATICAN MEDIA
Vatikanstadt – Erstaunlich schnell hat sich der 69-jährige Robert Francis Prevost vom Schock des Vorabends erholt, als der US-Amerikaner überraschend zum 267. Papst gewählt worden war. Souverän zelebrierte Leo XIV. seine erste Messe in der Sixtinischen Kapelle, in der er keine 20 Stunden zuvor zum Nachfolger Franziskus bestimmt worden war. In seiner ersten Predigt machte klar, dass der drohende Verlust des Glaubens für ihn weit oben auf seiner Agenda stehen wird. Der Augustiner Prevost ist und bleibt ein Missionar.
Der Verlust des Glaubens habe „oft dramatische Begleiterscheinungen“, sagte Leo XIV. – „dass der Sinn des Lebens verloren geht, die Barmherzigkeit in Vergessenheit gerät, die Würde des Menschen in den dramatischsten Formen verletzt wird, die Krise der Familie und viele andere Wunden, unter denen unsere Gesellschaft nicht unerheblich leidet“. Heute werde der Glaube als etwas „Absurdes“ angesehen, etwas für „schwache und wenig intelligente Menschen“. Viele zögen ihm andere Dinge vor wie Technologie, Geld, Erfolg, Macht und Vergnügen. Jesus Christus werde oft nur als „charismatischer Anführer“ angesehen . Leo XIV. stellte fest: „Das ist ein faktischer Atheismus.“
Aber was ist Leos Programm? Einblick hat dazu der Erzbischof von Belgrad, László Kardinal Német, gegeben. Denn nach seiner Wahl speiste der neue Papst mit den Kardinälen im Gästehaus Santa Marta zu Abend. Die Stimmung war „ausgelassen und fröhlich“, sagt einer, der dabei war. Német saß mit fünf Kollegen mit dem neuen Pontifex am Tisch. Wie er seinen Namen gewählt habe, wollten die Kardinäle wissen. Dann soll Leo XIV. erklärt haben, er wolle „sozialen Fragen in der Welt mehr Aufmerksamkeit schenken und den Fragen der Gerechtigkeit“. Sein Namensvorgänger Leo XIII. (1878-1903), der den Grundstein für die katholische Soziallehre legte, sei während der industriellen Revolution Papst gewesen, heute befände man sich in einer „digitalen Revolution“. „Heute wie damals sind Arbeitsplätze das Problem“, die Digitalisierung führe zu ihrem Verlust. Noch als Präfekt des Bischofsdikasteriums hatte Prevost erklärt: Bischöfe sollten demütig auftreten, sie seien berufen, zu dienen. „Ein Bischof darf kein kleiner Prinz sein, der in seinem Königreich sitzt.“ Das erinnert an Franziskus.
Schon als Kind wollte der neue Papst Leo XIV. nach den Worten seines Bruders Priester werden. „Er wusste es sofort. Ich glaube nicht, dass er es jemals hinterfragt hat“, sagte John Prevost dem US-Sender ABC. Demnach „zelebrierte“ der kleine Robert nicht nur die „Messe“ am Bügelbrett, das als Altar diente. Bereits in der ersten Klasse habe ihm ein Nachbar prophezeit, dass er der erste US-amerikanische Papst werden würde. Einen Tag, bevor die 133 Kardinäle zum Konklave schritten, habe er seinem Bruder Robert das Gleiche gesagt. Kardinal Prevost habe dies als „Unsinn“ bezeichnet: „Sie werden keinen amerikanischen Papst wählen“, zitierte ihn sein Bruder. „Er hat es einfach nicht geglaubt oder wollte es nicht glauben.“
Viel Menschelndes wird am Tag nach seiner Wahl über den Mann bekannt. Etwa, dass der Augustiner-Mönch, der auch Mathematik studiert hatte, ein begeisterter Tennisspieler ist. Sogleich erinnert man sich an Papst Johannes Paul II., der noch zu Beginn seines Pontifikats zum Skifahren gegangen war. Nach dem Abendessen mit den Kardinälen hatte sich Leo kurz zum Palazzo del Sant‘ Uffizio fahren lassen, wo er derzeit wohnt Als er ausstieg, segnete er spontan einige Passanten. Sein erster Ausflug außerhalb der Vatikanmauern nach seiner Wahl zum Papst.
Am gestrigen ersten Amtstag hat Leo XIV. entschieden, dass die Leiter der römischen Kurie vorerst im Amt bleiben. Bevor er eine Entscheidung trifft, will er sich Zeit nehmen für Reflexion, Gebet und Dialog. Unüberlegte, spontane Entscheidungen sind bei diesem neuen Papst wohl nicht zu befürchten. Ein erster Hinweis auf eine etwas andere Amtsführung als die seines Vorgängers Franziskus.