München – Es war ein längst gescheitertes Projekt. Der Petersburger Dialog, 2001 ins Leben gerufen von Gerhard Schröder und Wladimir Putin, war nie das, als was er verkauft wurde: nämlich ein Diskussionsforum für russische und deutsche Zivilgesellschaften. Vielmehr ging es um die Kontaktpflege zwischen treuen Putin-Anhängern und einflussreichen deutschen Politikern. Kritiker sprachen schon lange von Klüngel-Events, bei denen es ums Geschäftemachen ging. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs beschlossen die Mitglieder, ihre deutsch-russische Clique aufzulösen. Eigentlich.
In Wirklichkeit sind die Verbindungen offenbar nie abgebrochen. Erst kürzlich, am 14. April, haben sich wieder deutsche Spitzenpolitiker mit Russen aus Putins engstem Kreis in Baku getroffen. Das ergab eine Recherche der „Zeit“ und des ARD-Magazins „Kontraste“. Die Teilnehmerliste ist brisant: SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner dürfte wohl der umstrittenste Gast in der aserbaidschanischen Hauptstadt gewesen sein, immerhin gehörte er dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages für die Geheimdienste an – und hat damit Zugang zu streng geheimen Informationen. Mit dabei waren auch der frühere SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck (SPD), der CDU-Politiker Stephan Holthoff-Pförtner und der einstige Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU). Dabei war es Pofalla selbst, der damals den Petersburger Dialog auflösen ließ. Der Merkel-Vertraute war zuletzt Vorstandschef des Forums. Doch „angesichts des verbrecherischen Angriffskrieges“ sei der Dialog „in diesem Format“ nicht mehr möglich, erklärte der CDUler, der seinerzeit als Chef-Lobbyist bei der Deutschen Bahn arbeitete.
Das Treffen in Baku war nun bereits das dritte seiner Art – die deutsche Delegation war bereits im vergangenen November im Four Seasons, ein 5-Sterne-Hotel mit Blick auf das Kaspische Meer. Aus Russland sind – damals wie beim jüngsten Treffen auch – Waleri Fadejew (Putins Beauftragter für Menschenrechte) und Viktor Subkow (Chef des Aufsichtsrats von Gazprom) angereist. Fadejew steht wegen der Verbreitung von Kreml-Propaganda auf der EU-Sanktionsliste, Subkow war von 2007 bis 2008 russischer Ministerpräsident und wurde wegen Mafia-Verbindungen in Spanien per Haftbefehl gesucht.
Als Stegner mit seiner Baku-Reise konfrontiert wurde, blockte er zuerst ab. Privatsache. Der SPD-Abgeordnete sei nicht „im Auftrag von irgendjemandem“ unterwegs gewesen und habe keine öffentlichen Mittel in Anspruch genommen. Doch nach Veröffentlichung der Recherchen hagelt es inzwischen parteiübergreifend – auch aus den eigenen Reihen – Kritik, weshalb sich Stegner doch noch in einer gemeinsamen Erklärung mit Pofalla und Co. rechtfertigt. Auch in schwierigen Zeiten sollten Gesprächskontakte „nach Russland aufrechterhalten werden“.
„Die Selbstüberschätzung dieser Personen ist peinlich“, sagt Sicherheitsexperte Nico Lange gegenüber unserer Zeitung. Russland nutze diese „Eitelkeit und übersteigerte Vorstellungen der eigenen Bedeutung professionell aus und macht diese Leute zu seinen Lautsprechern“, so Lange.
KATHRIN BRAUN