Im Sonderzug: Merz mit Keir Starmer und Macron. © dpa
Im Palast: Die Regierungschefs rufen in diesem Moment angeblich spontan Donald Trump an.
Gemeinsames Gedenken auf dem Maidan: Donald Tusk, Keir Starmer, Wolodymyr Selenskyj, Emmanuel Macron und Friedrich Merz (CDU) in Kiew. © Kay Nietfeld/dpa
Kiew – „Take care“, sagt Friedrich Merz zum Abschied auf Englisch, pass auf dich auf, Wolodymyr. Und: Du kannst mich anrufen, wann immer du willst. Sie umarmen sich nicht, der Kanzler und Selenskyj, umfassen sich nur an den Schultern, es ist keine Show für die Kameras – eher eine ehrliche, ernst gemeinte Geste. So endet ein ungewöhnlicher, vielleicht historischer Besuch in Kiew: Der deutsche Kanzler besucht den Staatschef der Ukraine, und das nicht allein, sondern in Begleitung der mächtigsten Europäer.
In einer nächtlichen Fahrt per Sonderzug sind Merz, der französische Präsident Emmanuel Macron, der britische Premierminister Keir Starmer und der polnische Regierungschef Donald Tusk am Wochenende nach Kiew gereist. Ihr eintägiger Auftritt, noch nicht mal vorab groß geheim gehalten, ist ein Signal der vier wichtigsten europäischen Verbündeten der Ukraine an Russland, um den dortigen Präsidenten Putin zu einem bedingungslosen Waffenstillstand aufzufordern. Er soll am Montag beginnen, mindestens 30 Tage dauern und ernsthafte Friedensverhandlungen zum Ziel haben. Sollte Russland sich weigern, wollen die Europäer das Land mit Finanz- und Energiesanktionen belegen und die Waffenlieferungen an die Ukraine ausweiten.
Merz spricht das in Kiew unverhohlen aus. „Es wird eine massive Verschärfung der Sanktionen geben und massive weitere Hilfe für die Ukraine“, politisch, militärisch, finanziell, droht der CDU-Chef. Und er erinnert daran, dass auch der amerikanische Präsident auf der Seite der Ukraine stehe: „Offensichtlich verliert Donald Trump die Geduld mit Putin.“ Trump ist zwar nicht persönlich dabei, aber die vier Besucher und Selenskyj sprechen mit ihm. Auch das eine denkwürdige Szene: Laut Augenzeugen zückt Macron beim Termin in der Residenz einfach sein Handy, ruft Trump direkt an, stellt auf laut. Die Runde stellt sich gemeinsam hinter die Waffenruhe-Forderung.
Hilft das? Genügt das? Ungewiss. Putin lässt den Plan brüsk und ordinär zurückweisen. Sie könnten sich ihre Friedenspläne „in den Hintern“ schieben, schreibt der Vizechef des russischen nationalen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, auf Englisch auf der Plattform X. Später gibt es dennoch Bewegung. Putin schlägt direkte Gespräche zwischen Russland und der Ukraine vor. Russland sei zu „ernsthaften Verhandlungen ohne Vorbedingungen“ bereit und schlage vor, damit „bereits am kommenden Donnerstag, den 15. Mai, in Istanbul zu beginnen“, sagt er am Sonntag. Das ist allerdings kein direktes Eingehen auf den Waffenruhe-Vorstoß.
Das Signal aus Kiew an die Welt ist klarer. Merz sagt: „Dies ist die größte diplomatische Initiative, die es in den letzten Monaten, wenn nicht Jahren gegeben hat, um den Krieg zu beenden.“ Putin könne den Westen nicht auseinanderdividieren, sein Gesprächsvorschlag sei „bei Weitem nicht hinreichend“. Ungewöhnlich: Merz will auch über Taurus-Lieferungen nicht mehr offen sprechen, sondern Russland im Ungewissen lassen. „Unter meiner Führung wird die Debatte um Waffenlieferungen, Kaliber, Waffensysteme und, und, und aus der Öffentlichkeit herausgenommen.“
Frankreichs Präsident Macron stellt zudem robuste Sicherheitsgarantien für die Ukraine in Aussicht. Macron und Starmer bringen einen internationalen Militäreinsatz für den Fall einer Waffenruhe ins Gespräch. Beide zeigen sich bereit, Soldaten ihrer Länder für eine „Rückversicherungstruppe“ in die Ukraine zu entsenden. Die Konturen eines solchen Einsatzes sind bislang jedoch sehr unscharf.
MM/AFP/DPA