KOMMENTARE

Für Putin macht Merz den Unterschied

von Redaktion

Europas Lenker gemeinsam in Kiew

Wenn man sich im Kreml wirklich getroffen sieht, lässt Putin seinen Kettenhund Dmitri Medwedew von der Leine. Gerne droht der Vize-Chef des russischen Sicherheitsrats dann London oder Berlin mit Atomraketen.. Diesmal ließ er nur eine Stinkbombe fallen. Die vier Ukraine-Reisenden Merz, Macron, Starmer und Tusk könnten sich „ihren Friedensplan in den Hintern schieben“, richtete Medwedew aus. Das Quartett darf das als Kompliment werten: Ihr Kiewer Telefonat mit US-Präsident Trump, in dem sie schlau dessen Vorschlag einer 30-tägigen Waffenruhe aufgriffen, bringt Moskau erkennbar in Verlegenheit. Putins hastiger Gegenvorschlag – Friedensgespräche in der Türkei ohne vorherigen Waffenstillstand – zeigt, wie sehr sich der Kremlchef durch die plötzlich wieder hergestellte Einigkeit der fünf wichtigsten Staatenlenker des Westens unter Zugzwang gesetzt fühlt.

Natürlich will Putin seinen Krieg fortsetzen, zugleich aber Trumps Gunst nicht verlieren. Und der Kriegspräsident hat jetzt noch ein zweites Problem: Die Wahl von Friedrich Merz zum Kanzler beendet die Zeit der europäischen Uneinigkeit über die richtige Ukraine-Politik. Vor allem die kindischen Eifersüchteleien zwischen Scholz und Macron waren drei Jahre lang eine Einladung an den Kreml, den europäischen Zusammenhalt zu testen, mit dem gewünschten Ergebnis: Zu mehr Hilfe als nach der Devise „möglichst wenige Waffen möglichst spät“ war Berlin nicht bereit. Das ändert sich mit Merz, und damit ändert sich auch Putins Kosten-Nutzen-Kalkül: Der für Russland erwartbare Ertrag aus einer Fortsetzung des Krieges wird geringer, die Kosten steigen.

Der gemeinsame Besuch der vier Anführer Europas in Kiew kam drei Jahre zu spät, aber er wird von nun an den Fortgang des Ringens um den Frieden beeinflussen. Am Ende wird es für die Ukraine ohne bittere Gebietsverluste zwar nicht abgehen. Doch pocht Merz dafür zu Recht auf solide US-Garantien zur Absicherung eines fairen Friedens und von EU-Blauhelmsoldaten. Die europäischen Freunde Kiews brauchen die Fortexistenz einer freien und wehrhaften Ukraine als Bollwerk, damit sie Russland nicht irgendwann mit eigenen Soldaten aufhalten müssen, etwa im Baltikum. Sollte Moskau weiter Spielchen spielen wollen, ist der neue Kanzler entschlossen, die Koalition der Europäer mit anzuführen und den Preis für Putin durch neue Sanktionen hochzutreiben. Und er will, anders als die Ampel, deutsche Waffenlieferungen nicht mehr öffentlich diskutieren, um für den Kreml weniger durchschaubar zu sein.

Deutschland ist endlich in der Zeitenwende angekommen: Am ersten Tag der neuen Regierung ein neues Asyl-Regime an den Grenzen, an Tag vier Merz‘ Reise in die Ukraine. Gut so!
GEORG.ANASTASIADIS@OVB.NET

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