Fehlstart bei der Kanzlerwahl! Wirrwarr an der Grenze! Oje, der Pole Tusk runzelt schon die Stirn! Ha, der erste Koalitionsstreit um die Rente! Das kann ja was werden…. So oder so ähnlich lesen und hören es die Deutschen seit einer Woche in vielen Zeitungen und, vor allem, im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Beim ARD-„Bericht aus Berlin“ am Sonntagabend mochte sich die aufgeregte Moderatorin kaum beruhigen über das, was nach ihrer Meinung in der ersten Regierungswoche von Friedrich Merz alles schiefgelaufen sein soll. Und bei „Maybrit Illner“ ereiferten sich gleich vier resolute Damen lautstark über den neuen Asyl-Sheriff Alexander Dobrindt von der CSU, der wacker dagegenzuhalten versuchte.
Ja, es stimmt. Auch der Kanzler hätte sich gewiss gewünscht, dass seine schwarz-rote Mehrheit schon im ersten Wahlgang gestanden wäre. Doch ist der erste Schreck wieder verflogen. Die meisten Bürger nehmen die Anlaufschwierigkeiten gelassener als manche vorschnell triumphierenden Kommentatoren. Denn die neue Regierung schiebt gerade gewaltige Veränderungen an, für die der deutschen Politik jahrelang die Kraft fehlte. Für das neue Kontrollregime an den Landesgrenzen, mit dem Bundesinnenminister Dobrindt Merkels historischen Lasst-alle-durch-Erlass von 2015 einkassierte, gibt es überwältigende Zustimmungswerte. Und auch die Merz-Reise mit drei anderen europäischen Staatsmännern nach Kiew fand national wie international viel Zustimmung.
Was also ist der Grund für die schlechte Laune mancher medialer Begleiter der neuen Regierung? Es ist wohl nicht nur der deutsche Volkssport, das Haar in der Suppe zu suchen. Der Verdacht liegt nahe, dass ein Teil der woken Berliner Blase ihrem Frust über den ungeliebten Macho-Kanzler, den sie gerne verhindert hätte, freien Lauf lässt. Die neue Regierungsmannschaft hat es in der Hand, ihren Kritikern Recht zu geben. Oder sie im besten Fall zu widerlegen, wobei die wenig hochgesteckten Erwartungen an Schwarz-Rot durchaus Raum für positive Überraschungen lassen. 100 Tage Zeit sollte man ihr dafür geben. Der Kanzler kann heute mit seiner ersten Regierungserklärung im Bundestag schon mal vorlegen.
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