Neuanfang: Christian Dürr will Parteichef werden. © dpa
Berlin/München – Von Christian Lindner ist derzeit etwas zu hören, was man von ihm nicht kennt: Nichts. Kein Pieps zur Politik. Nichts zur Regierung. Nichts zur Opposition. Vor ein paar Tagenhat der FDP-Chef nur ein kurzes Instagram-Video von einem Waldspaziergang veröffentlicht. Begleitet von viel Vogelgezwitscher teilt Lindner mit, die Zeit der Fremdbestimmung und des Immer-funktionieren-Müssens sei vorbei, er genieße „ein ganz neues Gefühl von Freiheit“.
Für Lindner, der früher als Finanzminister im Stundentakt Nachrichten schuf, ist das wahrlich ungewohnt. Es wird sich bis auf Weiteres nicht ändern, im Gegenteil. Am Freitag wird der 46-Jährige offiziell seine Zeit als Politiker beenden. In Berlin kommt der FDP-Parteitag zusammen, entlastet den alten Vorstand und wählt einen neuen. Lindner muss eine kurze Abschiedsrede halten und wird als ganz freier Mann heimgehen. Was er fortan vorhat, verrät er auch auf Nachfrage nicht. Nur, dass er sich um die junge Familie kümmern und für eine gewisse Zeit noch aus der Öffentlichkeit zurückhalten wird.
Wer nachrückt an die Parteispitze, ist inzwischen klar. Christian Dürr, zuletzt Fraktionschef, soll die außerparlamentarische Oppositionspartei führen. Der 48-Jährige holt sich ein nur teilweise neues Team an die Seite. Als Vize will und darf Lautsprecher Wolfgang Kubicki (73) weitermachen, er sieht sich als Teil der „Kontinuität“. Die wenig bekannten Svenja Hahn (35, Europaparlament) und Henning Höne (38, Landeschef in NRW) werden wohl ebenfalls Dürr-Stellvertreter. Als Generalsekretärin blieb nach einigem Hin und Her die Unternehmerin Nicole Büttner (40) übrig. Sie wird durch die Bank gelobt in der FDP und war an der von Streit geprägten Ampel-Zeit der Liberalen nicht beteiligt.
Was Dürr nicht gelang: das Personalpaket auf den weiteren Plätzen schlüssig und streitfrei zu schnüren. Ausgerechnet die einzige Bayerin, die in die Parteispitze drängt, muss um ihren Posten ringen. Susanne Seehofer (34) muss wohl in eine Kampfkandidatur gehen gegen die rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Daniela Schmitt (52). Aus dem zerstrittenen Ex-Wissing-Landesverband zu kommen, ist eher Bürde als Freude, aber immerhin ist Schmitt Ministerin; davon hat die gerupfte FDP nicht mehr viele. Kein leichter Gegner für Seehofer. Die Münchnerin tritt aber kämpferisch auf: „Wir können nicht immer nur vom Neuanfang reden, dazu braucht es dann auch neue Gesichter. Das gehört zum Aufbruch, und dafür stehe ich.“
Dürr will nun der FDP nach den fatalen 4,3 Prozent von Februar neuen Mut einhauchen. „Wenn man hinfällt, steht man wieder auf“, gab er unlängst als Parole aus. Erste Bewährungsprobe: die Landtagswahl in Baden-Württemberg am 8. März 2026, einst das liberale Stammland, es folgen Rheinland-Pfalz am 22. März und Sachsen-Anhalt sowie Berlin im September. Zumindest im Westen kann die FDP noch viel verlieren.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER