Lokaljournalismus ist ein betuliches, altbackenes, kleinkariertes Geschäft. Das neue Auto für die Dorffeuerwehr, die höhere Hundesteuer in der Kleinstadt, der wiedergewählte Vorstand des Gartenbauvereins – jesses! Wen, außer die Betroffenen, Mitglieder, Nachbarn, interessiert das?
Mich interessiert’s. Uns. Die OVB-Heimatzeitungen. Heimat ist, was vor der eigenen Haustür passiert. Was sich als Vereinsmeierei und Gemeinderatskleinklein leicht abtun lässt, sind lauter Bausteine, die sich zu Lebensgefühl und Identität verbinden. Eine Heimatzeitung bildet diese Bausteine ab, die Menschen wichtig sind, denen Heimat wichtig ist. Eine Lokalzeitung muss Chronistin und Teil dieser Heimat sein. Aber nicht nur.
Lokaljournalisten sind Störfaktoren, Nestbeschmutzer und manchmal die letzte Rettung. Nicht jedes Ärgernis und jede Schmutzelei eignen sich zum landesweiten Skandal. Aber oft ändert sich erst was, wenn Journalisten zuhören, hinschauen, aufdecken. Manchmal pilgert der überregionale Medientross nur in die vermeintliche Provinz, weil zuvor die Reporterin vor Ort in einer faden Gemeinderatssitzung aufpasst, sich nicht einschüchtern lässt und berichtet. Und immer noch da ist und weitermacht, wenn die erste Aufregung längst verflogen ist.
Wer sich an den Mächtigen der Gegend reibt, bekommt von der einen Seite Applaus, die andere wittert Majestätsbeleidigung und Parteilichkeit. So mancher verschluckt sich am Morgenkaffee, wenn die Schlagzeile auf Seite eins das Dorfidyll rupft. Eine saubere Spezlwirtschaft macht keinen Spaß mehr, wenn man sich damit in der Zeitung wiederfinden. Gescheit macht die Lokalpresse ihren Job erst, wenn sie einerseits Geschichten erzählt, die ans Herz gehen und sich andererseits hin und wieder jemand richtig über sie ärgert. Weil sie nicht den Tenor der Rathaus-Pressestelle nachbetet oder kritisch vermeintliche Wahrheiten hinterfragt, die auf Social Media die Runde machen.
Unsere Reporter recherchieren nicht bequem von einem Hochhausbüro in einer fernen Großstadt aus, sondern vor Ort, wo sie leben: in Rosenheim, Wasserburg, Traunstein, Mühldorf und den vielen großen und kleinen Orten dazwischen. Manchmal ist diese Nähe eine Gratwanderung, wenn wir den Bürgermeister, der sich gestern wegen seiner Spendierfreudigkeit rechtfertigen musste, morgen beim Richtfest des Kindergartens wieder treffen. Das verlangt allen Beteiligten Professionalität ab. Denn wir stehen mit Namen und Gesicht zu unseren Texten, baden Fehler aus, freuen uns, wenn uns mal jemand auf die Schulter klopft – und sammeln die Nachrichten auf der Straße ein. Heimatzeitung eben.
JOSEF.AMETSBICHLER@OVB.NET