Seine erste große Rede als Kanzler: Friedrich Merz gestern im Bundestag. © Katharina Kausche/dpa
München – Die zwei schenkten sich nichts. Er sei ein „Klempner der Macht“, rief Friedrich Merz dem damaligen Kanzler Olaf Scholz mal zu. Der wiederum spottete später über „Fritze Merz“ und seine Neigung zu „Tünkram“. Bemerkenswert deshalb, wie Merz, jetzt selbst Kanzler, gestern über seinen Vorgänger spricht. Scholz habe das Land durch „außergewöhnliche Krisen“ geführt, sagt er, nennt dessen Reaktion auf den Ukraine-Krieg „wegweisend“ und „historisch“. Auch die Regierungsübergabe lobt er als „reibungslos und kollegial“.
Jetzt ist wirklich klar: Der kantige Oppositionsführer ist Geschichte, der neue Kanzler sucht das Verbindende. In seiner ersten Regierungserklärung, gut eine Woche nach der holprigen Wahl, bemüht sich Merz um einen neuen Ton: klar, aber konziliant. Kernbotschaft: Alle Herausforderungen schaffbar. „Es liegt nur an uns selbst.“
Es ist kein ganz überraschender, aber ein nachvollziehbarer Akzent. Denn wenn es dem Land zuletzt an etwas fehlte, dann an Zuversicht. Inhaltlich überrascht Merz wenig, hält sich im Großen und Ganzen an das, was im Koalitionsvertrag mit der SPD vereinbart wurde. Sein Versprechen: Schon im Sommer sollen die Deutschen spüren, dass es mit dem Land wieder bergauf geht.
Der Kanzler verspricht als Ziel nicht weniger als „Wohlstand für alle“. Die Wirtschaft sieht er geschwächt, aber längst nicht am Boden. Das Fundament sei gut, die Rahmenbedingungen, unter denen die Unternehmen arbeiten müssten, aber nicht. Er kündigt ein Umdenken an: Viel weniger Bürokratie, deutlich mehr Vertrauen in die Unternehmen. „Wir können aus eigener Kraft heraus wieder zur Wachstumslokomotive werden, auf die die Welt mit Bewunderung schaut.“
Politisch sind ein paar Weichen ja schon gestellt, etwa bei der Migration. Erneut verspricht Merz mehr Ordnung, betont aber zugleich, Deutschland bleibe Einwanderungsland. Mehrmals spricht er auch die Jungen im Land an. Er selbst gehöre einer Generation an, für die es „immer nur aufwärts und vorwärts ging“. Die Jüngeren zweifelten daran, ob das noch gelte. Merz verspricht einen „neuen Generationenvertrag“ und verbindet die angekündigten Milliarden-Investitionen in die Infrastruktur damit. Die seien eine wichtige Zukunftsinvestition. Um den Kritikern ein wenig Wind aus den Segeln zu nehmen, betont er, mit neuen Schulden werde seine Regierung „äußerst behutsam umgehen“.
Auffällig ist, dass der Kanzler einen großen Teil seiner Redezeit auf Außen- und Sicherheitspolitik verwendet. Er sagt der Ukraine weiter Unterstützung zu, weil es um nicht weniger geht als Freiheit. Der Ausgang des russischen Krieges entscheide darüber, „ob auch künftig Recht und Gesetz gelten in Europa oder Tyrannei, militärische Gewalt und das nackte Recht des Stärkeren“. Europa müsse deshalb stärker zusammenstehen denn je. Deutschland sieht Merz dabei in der Verantwortung – nicht nur, aber auch bei der Verteidigung. Die Bundeswehr will er zur „konventionell stärksten Armee Europas“ machen. „Wir wollen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen.“
Selbst die Grünen applaudieren da, AfD und Linke nicht. An anderer Stelle hält sich, das fällt auf, auch der Koalitionspartner zurück. Man kann das als Zeichen dafür deuten, dass inhaltlich einiger Dissens lauert zwischen Union und SPD. Merz verschwiegt die Zumutungen für die Genossen (etwa das Ende des Bürgergelds) nicht, betont dafür umso mehr einige ihrer Herzensthemen: An den Klimazielen hält die Koalition fest, beim Thema Wohnen heiße es „bauen, bauen, bauen“. Die Tarifbindung will er stärken, selbst für 15 Euro Mindestlohn ist der Kanzler offen, nur nicht per Gesetz.
Die ganz große Aufbruchstimmung kommt nicht auf an diesem Tag und an einen Kanzler Merz, der am rhetorischen Knalleffekt spart, muss man sich auch erst gewöhnen. Aber als Staatsmann haut man eben nicht mehr einfach auf die Pauke. „Es gibt kein Problem, das wir nicht gemeinsam lösen könnten“, sagt Merz. „Unser Land hat alle Stärken und alle Fähigkeiten, um wieder nach vorne zu kommen.“