Treffen unter Beobachtung: In Riad treffen sich mit Trump und al-Scharaa (li.) erstmals wieder ein US-Präsident und ein syrischer Regierungschef. Mit dabei: der saudische Kronprinz (re.). © dpa
München/Riad – In der Rebellenburg Idlib herrscht Feierstimmung. Jubelnde Männer-Gruppen strömen auf die Straßen im Nordwesten Syriens. Feuerwerkskörper werden in Farben der syrischen Flagge gezündet. Grün, weiß, rot. Es ist Dienstagabend, gerade eben hat US-Präsident Donald Trump verkündet, die US-Sanktionen gegen Syrien aufzuheben. Er wolle dem Land eine Chance geben, sagt er. Die syrische Übergangsregierung spricht von einem „entscheidenden Wendepunkt“ und einer Chance für eine „Zukunft der Stabilität“. Auch in anderen Städten, wie etwa der Hauptstadt Damaskus, ist die Stimmung ausgelassen.
Am Mittwochmorgen dann die nächste Botschaft der Hoffnung. Es werden Bilder von einem besonderen Zusammentreffen in der saudischen Hauptstadt Riad veröffentlicht: zwischen Trump und dem syrischen Übergangspräsidenten Ahmed al-Scharaa. Eigentlich hatte Trump nur vor, al-Scharaa kurz „Hallo“ zu sagen. Doch stattdessen gibt es ein Gespräch, bei dem sich sogar der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zuschaltet. Damit sind sich erstmals nach 25 Jahren wieder ein US-Präsident und ein syrisches Staatsoberhaupt persönlich begegnet.
Die Zeichen in dem kriegszerrütteten Land scheinen seit dem Assad-Sturz im Dezember also auf Deeskalation zu stehen. Doch die Machtübernahme der Übergangsregierung ist auch von schweren Auseinandersetzungen geprägt.
Anfang März ziehen tagelange Kämpfe eine Blutspur durch den Westen Syriens. Die Gefechte zwischen der neuen islamistischen Führung und Anhängern der gestürzten Assad-Regierung fordern etliche Menschenleben. Menschenrechtler gehen von knapp 1500 Toten aus – zwei Drittel davon Zivilisten. Aktivisten sprechen von „Hinrichtungen“ und „ethnischen Säuberungsaktionen“ in dem vor allem von der alawitischen Minderheit bewohnten Gebiet Syriens, der auch Assad angehört.
Ende April fordern neue Kämpfe zwischen regierungsnahen Einheiten und der religiösen Minderheit der Drusen weitere, über hundert Todesopfer. Abermals wird der Vorwurf einer „Völkermordkampagne“ laut. Auch das verfeindete Nachbarland Israel schaltet sich ein, greift Ziele nahe dem Präsidentenpalast in Damaskus an, Explosionen sind zu hören. Die Botschaft: Die islamistische Regierung soll Minderheiten schützen.
Die neuen syrischen Machthaber bemühen sich währenddessen darum, sich liberal und fortschrittlich zu präsentieren. Weg vom Image der gewaltbereiten Islamisten, der Dschihadisten, als die Israel sie einstuft. Im Wochentakt begrüßen sie Politiker aus dem Westen – darunter Deutschland und Österreich. Übergangspräsident al-Scharaa reist nach Paris. Vertreter der religiösen Minderheiten – Alawiten und Drusen – werden als Minister ins neue syrische Kabinett berufen. Dass mit einer Christin zudem erstmals seit dem Assad-Sturz wieder eine Frau ein Amt übernimmt, wird ebenfalls als Signal an den Westen gewertet. Ein Zeichen für religiöse Toleranz und Gleichberechtigung.
Auch Trumps Forderung an Syrien, Israel anzuerkennen, scheint nicht auf taube Ohren zu stoßen. Al-Scharaa hat sich offen für eine Annäherung mit dem verfeindeten Nachbarn gezeigt, mit dem sich Syrien offiziell seit 1948 im Kriegszustand befindet.
Auch in Berlin setzt man die Hoffnung auf ein Syrien in Frieden. Lange war Deutschland die Nummer eins bei der Aufnahme von syrischen Flüchtlingen. Seit dem Sturz von Assad kehrten hunderttausende Syrer in ihre Heimat zurück. 500 Syrer nahmen dafür auch finanzielle Hilfe des Bundes in Anspruch. Doch bis in Syrien wieder richtiges Leben stattfinden kann, braucht es laut UN internationale Kraftanstrengungen. Denn noch fehlt es an Einkommensmöglichkeiten, Dienstleistungen, Wasser, Strom und Ärzten.
(MIT AFP/DPA)