Manchmal hat der Politikbetrieb schon ein atemberaubendes Tempo. Man erinnere sich an den Wahlkampf im Januar, als der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben von aktuell 2,12 auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ins Spiel brachte. Die Aufregung war groß, Olaf Scholz kanzelte die Idee als „etwas unausgegoren“ ab. Nur vier Monate später spricht der neue Außenminister Johann Wadephul sogar schon von fünf Prozent. Um die Dimensionen zu verstehen: Ein Prozent des BIP sind mehr als 40 Milliarden Euro!
Zuweilen wird in dieser Debatte fast willkürlich mit Zahlen um sich geworfen. Man fühlt sich an Zeiten der Pandemie oder später den Kampf gegen den Klimawandel erinnert, als die Politik kurz hintereinander zwei richtige und wichtige Anliegen mit einem „Koste es, was es wolle“ versah. Rückblickend schoss man jeweils über das Ziel hinaus, mit gravierenden Folgen für die Staatsfinanzen. Ähnliches droht jetzt erneut: Dass alle Nato-Staaten angesichts der russischen Bedrohung aufrüsten müssen, ist – leider – unausweichlich. Doch von fünf Prozent sind selbst die USA aktuell meilenweit entfernt.
Natürlich: Der neuen Regierung geht es um eine Botschaft der Entschlossenheit – nicht nur in Richtung Moskau, sondern auch nach Washington. Und wenn Wadephul in seine Summe auch 1,5 Prozent für „militärisch nutzbare Infrastruktur“ einrechnet – wozu man von Autobahnen und Straßen bis hin zu Krankenhäusern und Kraftwerken quasi alles zählen kann –, ist auch die generelle Sanierung der deutschen Infrastruktur ein Teil davon. Praktisch!
Trotzdem: Beim originären Rüstungsteil gilt es, mit Augenmaß und vor allem koordiniert vorzugehen. Zu lange hat jedes Land in Europa eigene Panzer, Flugzeuge oder Drohnen bestellt – auch, weil jede Regierung die heimische Rüstungsindustrie stärken wollte. Daraus ergab sich ein teils ineffizienter Wildwuchs an Waffensystemen. Wenn nun alle gleichzeitig ordern, droht nicht nur eine Überforderung der Industrie, sondern auch ein dramatischer Anstieg der Preise. Das bringt nichts! Gemeinsame, EU-weite Großaufträge machen das Vorhaben dagegen billiger und effizienter. Letztlich ist es eine Frage des politischen Willens.
MIKE.SCHIER@OVB.NET