2,1 Prozent seiner Wirtschaftsleistung steckt Deutschland aktuell in die Verteidigung. imago
München – Für ein so ernstes Thema wird Markus Söder beinahe lyrisch. „Der Himmel ist nach oben offen“, umschreibt der Ministerpräsident, was in der globalen Politsprache so viel nüchterner klingt: „No Limit!“ Es geht um die künftigen Verteidigungsausgaben, für die neuerdings keine Denkverbote mehr gelten. Geld ist vorhanden, nun müssen die Investitionen in die richtigen Bahnen gelenkt werden. In München hat man da ziemlich genaue Vorstellungen.
Während sich in Antalya gestern der neue Außenminister Johann Wadephul (CDU) hinter das Fünf-Prozent-Ziel Donald Trumps stellt, sitzt in der Staatskanzlei Söder bei einem Gipfel mit über 50 Vertretern der Rüstungsindustrie, von Verbänden und Start-ups, Bundeswehr und Hochschulen sowie einem halben Dutzend Kabinettsmitgliedern zusammen. Der Termin stand schon seit März fest, doch an diesem Morgen bekommt er noch mal eine zusätzliche Wucht. Wadephul liefert die Vorlage, Söder nimmt sie dankbar auf.
3,5 Prozent nennt er als „harten Kern“. So viel müsse Deutschland in die Rüstung stecken, um sich für die Herausforderungen zu wappnen: „Eine tatsächliche Verteidigungsfähigkeit, für die Landesgrenze und die Nato-Grenze.“ Die fünf Prozent markieren auch bei ihm den großen Rahmen samt ziviler Infrastruktur. Nach seiner Kalkulation macht das 150 Milliarden Euro, die jährlich neu in die Verteidigung gesteckt werden sollen, mindestens. Söders Ziel: 25 Prozent des zusätzlichen Volumens sollen nach Bayern fließen.
Das klingt selbstbewusst, aber nicht unrealistisch. Bayern ist ein Schwerpunkt der deutschen Rüstungsindustrie, rund ein Drittel aller Unternehmen ist im Freistaat ansässig. 45 000 Arbeitsplätze sind direkt mit der Branche verbunden, weitere 90 000 indirekt, etwa in Zuliefererbetrieben. Rund vier Milliarden Euro Umsatz erzielt der Sektor in Bayern jährlich.
Man müsse nicht mehr alles im Ausland kaufen, ist Söder dann auch überzeugt, sondern könne die „Selbstwertschöpfung“ deutlich ausbauen. Auf diese Weise solle die Luftverteidigung gestärkt und die Kapazitäten bei Panzern und Hubschraubern, Flugzeugen und Fregatten ausgebaut werden. Ein Raketenschutzschirm steht ebenso auf der Agenda wie Investitionen in unbemannte Waffensysteme oder Präzisionswaffen wie die viel zitierten Taurus-Marschflugkörper, um die sich die Ukraine schon seit Jahren bemüht und die aus Schrobenhausen stammen.
Hans Christoph Atzpodien, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), berichtet von immer mehr Anfragen aus den Ländern, wie man die Ansiedlung von Rüstungsindustrie fördern könne. In Bayern seien besonders viele Kompetenzen gebündelt, das sei auch ein Auftrag: „Wir brauchen Deutschland als Führungsnation in Europa und müssen uns hier einfach an die Spitze setzen.“
Über das Wie herrscht zwischen Industrie und Politik Einigkeit: Planungs- und Abnahmesicherheit für die Unternehmen, weniger Bürokratie, schnelle Genehmigungsverfahren. „Mehrjährige Artenschutzgutachten“, sagt Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), dürfe es nicht mehr geben.
Der Rüstungsboom fällt zusammen mit einem Abschwung in der deutschen Schlüsselbranche, der Automobilindustrie. Zahlreiche Zulieferbetriebe wollten sich breiter aufstellen, weiß Aiwanger. Das belebe den Arbeitsmarkt bereits jetzt: „Es gibt genug Personal, das in diesen Bereich herüber will.“ Es ist eine Zeit der Umwälzungen, militärisch und wirtschaftlich: „Jetzt muss jeder verstehen, was die Stunde geschlagen hat.“