Polen vor einer richtungsweisenden Wahl

von Redaktion

Urnengang am Sonntag: Liberaler Europäer tritt gegen rechtsnationalistischen Trump-Fan an

Der Proeuropäer Rafal Trzaskowski liegt vorne. Ihm auf den Fersen ist Karol Nawrocki. © Radwanski/AFP

Warschau – Rafal Trzaskowski ist ein leidenschaftlicher Europäer, das Motto von Karol Nawrocki hingegen lautet „Polen zuerst“. Der Liberale und der Rechtsnationalist sind die Favoriten bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag in Polen. Ein Sieg Trzaskowskis würde den Weg frei machen für Reformen der proeuropäischen Regierung von Donald Tusk. Mit Nawrocki wäre eine Fortsetzung der Blockadepolitik des scheidenden Staatschefs Andrzej Duda zu erwarten.

In den Umfragen liegt der proeuropäische Trzaskowski mit rund 32,5 Prozent klar in Führung. Die Polen kennen den 53-Jährigen nicht nur als derzeitigen Bürgermeister der Hauptstadt Warschau, sondern aus seinen Zeiten als EU-Abgeordneter, Minister und Parlamentarier. Im Jahr 2000 arbeitete Trzaskowski mit am Beitritt Polens zur EU, 2009 wurde er ins EU-Parlament gewählt. 2013 holte ihn Tusk ins Kabinett, zunächst als Minister für Technologie, dann wurde er Vize-Außenminister. Trzaskowski gehört Tusks liberaler Bürgerplattform an. 2020 kandidierte er bereits bei der Präsidentschaftswahl, verlor jedoch knapp gegen Duda.

Trzaskowski verspricht, sich für die Rechte von Frauen und gleichgeschlechtlichen Paaren einzusetzen. Der Vater von zwei Kindern unterstützt den Plan der Regierung, bis zur zwölften Schwangerschaftswoche Abtreibungen zu erlauben.

Sein Herausforderer, der 42-jährige Nawrocki, ist Historiker. Er gehört keiner Partei an, wird aber wie Duda von der rechtsnationalistischen PiS unterstützt, die Polen von 2015 bis 2023 regierte. In Umfragen liegt er bei 25 Prozent.

Sein Idol ist US-Präsident Donald Trump, den er Anfang Mai im Weißen Haus traf. Einige Abgeordnete der polnischen Regierungskoalition werfen Trump vor, die Wahl beeinflussen zu wollen. Das polnische Forschungsinstitut für Cybersicherheit gab jüngst zudem bekannt, dass es auch russische Versuche der Einflussnahme aufgedeckt habe. Auf hunderten Fake-Accounts im Onlinedienst X sei mit Themen wie Sicherheit, Migration und Außenpolitik polarisiert worden.

Nawrockis Wahlkampfslogan „Polen zuerst“ bezieht sich auch auf die fast eine Million Ukraine-Flüchtlinge. Mit Kontrollen an der Grenze zu Deutschland will Nawrocki Migranten fernhalten. Nawrocki will die Ukraine zwar weiterhin gegen Russland unterstützen, kritisiert jedoch die Leistungen für Flüchtlinge.

Der Präsident hat in Polen nur begrenzte Befugnisse, ist aber Oberbefehlshaber der Streitkräfte, bestimmt die Außenpolitik und hat das Recht, Gesetze einzubringen oder sein Veto gegen sie einzulegen. Beobachter rechnen mit einem knappen Rennen und einer Stichwahl am 1. Juni.
M. PACIOREK/A. M. JAKUBEK

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