Erstmals im Papamobil: Papst Leo präsentiert sich auf dem Petersplatz den Gläubigen und der Welt. © Medichini/DPA
Händedruck mit Symbolwert: Der ukrainische Präsident Selenskyj (li.) reicht US-Vizepräsident JD Vance die Hand. © Borgia/DPA
Bundeskanzler Friedrich Merz gratuliert Papst Leo nach dessen Amtseinführung im Petersdom. © DPA
Vatikanstadt – Als der philippinische Kardinal Luis Antonio Tagle dem neuen Papst den goldenen Fischerring als Zeichen der päpstlichen Macht auf den Ringfinger der rechten Hand schiebt, ringt Leo XIV. um seine Fassung. Das neue Kirchenoberhaupt blickt fast scheu auf den Amtsring, dann schaut er Richtung Himmel, als wolle er um Beistand für sein schweres Amt bitten. Nur weil die Kameras direkt auf sein Gesicht gerichtet sind, wird der Welt in diesem Moment ein Blick in die Gemütslage des Kirchenoberhaupts erlaubt. Ansonsten strahlt Leo XIV. gestern am Tag seiner Amtseinführung jene Freundlichkeit aus, die ihn seit seiner Wahl vor zehn Tagen die Herzen vieler Menschen hat gewinnen lassen.
Die 150 000 Menschen auf dem Petersplatz, darunter 156 staatliche Delegationen mit Regierungs- und Staatschefs, und die Menschen in aller Welt, die den Gottesdienst am Fernseher verfolgen, lässt Leo XIV. teilhaben an seinem Seelenleben. „Ich wurde ohne jegliches Verdienst ausgewählt und komme mit Furcht und Zittern zu euch als ein Bruder.“ Dieses offene Bekenntnis beantwortet die Menge mit warmem Applaus.
Dem Kirchenoberhaupt ist klar, dass auf ihn schwere Aufgaben warten. Da ist zunächst der Auftrag, die zerstrittene Kirche zu versöhnen. Mehrfach betont er in seiner Predigt die Bedeutung der Einheit. „Ich würde mir wünschen, dass dies unser erstes großes Verlangen ist: eine geeinte Kirche als Zeichen der Einheit und der Gemeinschaft, die zum Ferment einer versöhnten Welt wird.“ Damit wird klar, dass er diese Einmütigkeit innerhalb der Kirche als Folie für die allgemeine Situation verstanden wissen will. Eine geeinte Kirche könne Einheit, Gemeinschaft und Geschwisterlichkeit in einer Welt fördern, die voller Wunden ist, „die durch Hass, Gewalt, Vorurteile, Angst vor dem anderen und durch ein Wirtschaftsmodell verursacht werden, das die Ressourcen der Welt ausbeutet und die Ärmsten an den Rand drängt“. Die Kirche als Katalysator für eine versöhnte Welt, das ist Leos Vision. Doch dafür muss der Papst zunächst erst einmal innerhalb der Kirche Brücken bauen zwischen den Konservativen und den Reformern.
Er will eine missionarische Kirche, die „ihre Arme der Welt gegenüber öffnet“, sagt Leo XIV., der aber auch unmissverständlich das Leid auf der Welt anspricht. „Die gemarterte Ukraine wartet darauf, dass endlich Verhandlungen für einen gerechten und dauerhaften Frieden stattfinden“, sagt er zum Ende des Gottesdienstes, den auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und der US-Vizepräsident JD Vance verfolgen. Noch gestern traf sich der Papst nach der Amtseinführung zu einer Privataudienz mit Selenskyj, für heute wurde ein Treffen mit Vance in Aussicht gestellt. Theologie und hohe Diplomatie können an solchen Tagen nicht voneinander getrennt werden. Auch an die Qual der Menschen in Gaza, die dem Hunger aufgeliefert seien, erinnert der Papst. Ebenso an die neuen Feindseligkeiten in Myanmar.
Aber auch das allzu Menschliche kommt nicht zu kurz. So hat der bisherige Fitnesstrainer von Robert Francis Prevost verraten, dass der neue Papst in Topform ist. Das 69-jähige jetzige Kirchenoberhaupt hatte in den vergangenen zwei Jahren „inkognito“ in einem Fitnessstudio trainiert. Niemand habe gewusst, dass „Robert“ ein Kardinal war, sagte Valerio Masella der Tageszeitung „Il Messagero“. Er habe es erst erkannt, als er am 8. Mai den neuen Papst im Fernsehen gesehen habe. „Es ist unglaublich, aber für mich war er ein Kunde wie jeder andere, und er benahm sich wie alle Kunden dieses Studios.“ Zwei- bis dreimal die Woche habe er trainiert und sei in „außergewöhnlicher körperlicher Verfassung“. Masella hielt ihn für einen Professor. Zu einer berührenden familiären Begegnung kommt es gestern auf dem Petersplatz: Der ältere Bruder, Louis Prevost, war mit der amerikanischen Delegtion nach Rom gereist. Als dieser auf seinen Bruder im Papstgewand zugeht, umarmt Leo seinen größeren Bruder herzlich. Auch der dritte Bruder John soll nach Rom gereist sein.
Unter den Ehrengästen waren auch EU-Kommissarin Ursula von der Leyen, Bundeskanzler Friedrich Merz und Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (alle CDU) sowie der deutsche Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD). Vor der festlichen Amtseinführung hat der Papst erstmals das Papamobil bestiegen und sich über die Via della Conciliazionezum Petersplatz fahren lassen. Die Menschen begrüßen ihn mit Jubel. Und Leo XIV. lächelt.