Kein Tag ohne schlechte Nachrichten für die deutsche Wirtschaft: Die EU-Kommission hat die Wachstumsprognose auf 0,0 gesenkt. Stagnation. Man fühlt sich unwillkürlich an 2003 erinnert, als Deutschland – vom „Economist“ als „kranker Mann Europas“ tituliert – von Gerhard Schröder und seiner Agenda 2010 aus dem wirtschaftlichen Schlaf gerissen werden musste. Vergangene Woche hat es Friedrich Merz mit einer kleinen Ruckrede versucht. „Wir können aus eigener Kraft heraus wieder zu einer Wachstumslokomotive werden, auf die die Welt mit Bewunderung schaut.“ Man muss dem Kanzler, und vor allem seinem Partner SPD, dazu Mut und Durchhaltekraft wünschen.
Die Probleme sind bekannt: zu viel Bürokratie, zu starre Vorschriften, zu große Beharrungskräfte. Nur ein Beispiel ist die Debatte um flexiblere Arbeitszeiten: Statt des üblichen Acht-Stunden-Tags soll eine Wochenarbeitszeit vereinbart werden. Dadurch könnten Arbeitnehmer beispielsweise auch vier mal zehn Stunden pro Woche arbeiten. Auf den Mai-Demos wurde dies von Gewerkschaften, aber auch Linken oder Grünen abgelehnt – mit der ernst gemeinten Argumentation, man habe sich das 1918 hart erkämpft.
Die Welt von damals, als in Fabriken das meiste harte Handarbeit war, ist nicht mehr mit heute zu vergleichen: Globalisierung, Computer, Internet, Homeoffice, Künstliche Intelligenz. Aber auch gesellschaftlich ist vieles anders, weil sich Männer und Frauen inzwischen Arbeit und Kindererziehung teilen wollen. Bemerkenswert ist deshalb eine neue Umfrage, nach der sich auch viele Beschäftigte eine Flexibilisierung wünschen. Womöglich lässt sich ein Familienalltag sogar leichter managen, wenn nicht beide Eltern starr von 9 bis 17 Uhr arbeiten müssen. Politik muss das nicht per Gesetz vorschreiben, auch die Sozialpartner können das branchenspezifisch passend vereinbaren.
Deutschland hängt generell zu sehr in alten Strukturen fest. Ein anderes Beispiel ist der Ladenschluss, bei dem die Politik weiter so tut, als seien Amazon, Temu oder Shein nie erfunden worden. Statt kleinen Geschäften Vorschriften zu machen (die in München zunehmend missachtet werden), sollte die Politik lieber den weltweiten Giganten Grenzen setzen. Auch das wäre moderne Wirtschaftspolitik.