KOMMENTARE

Deutschlands besondere Verantwortung

von Redaktion

Israels Kriegsführung

Israels Präsident Izchak Herzog hat es kürzlich treffend ausgedrückt: Die Freundschaft zwischen Deutschland und Israel sei ein Geschenk, sagte er zu Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Und eine Verantwortung. Der Anlass war besonders, die beiden feierten 60 Jahre diplomatische Beziehungen. Herzogs Worte waren ein Appell an Berlin, weiter unerschütterlich an der Seite Israels zu stehen, vor allem jetzt, da sich immer mehr westliche Partner von Netanjahu und seiner Kriegsführung abwenden. Wenn man so will, kann man sie aber auch anders verstehen: dass man sich in einer ehrlichen Freundschaft klare Grenzen setzen muss, wenn einer von beiden zu weit geht.

An diesem Punkt sind wir leider längst angelangt. Selbstverständlich steht Deutschland in der historischen Verantwortung, das Land der Schoah-Überlebenden zu schützen. Das bedeutet in erster Linie, den Staat vor all jenen zu verteidigen, die seine Existenz infrage stellen oder gar vernichten wollen. Deutschland hat aber auch eine Verantwortung gegenüber dem israelischen Volk, dessen Regierung sich inzwischen immer weniger an humanitäres Völkerrecht gebunden sieht. Und gegenüber der palästinensischen Bevölkerung, die monatelang ausgehungert wurde. Erst nach massivem internationalen Druck hat sich Netanjahu dazu entschieden, wieder Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu lassen – weil eine Hungersnot „die Fortsetzung der Offensive“ gefährde.

London, Paris und Ottawa finden inzwischen nicht nur deutliche Worte dafür („ungeheuerlich“), sie drohen Israel sogar mit Sanktionen. Auch die neue Regierung in Berlin sollte sich überlegen, wem ihre unerschütterliche Freundschaft wirklich gilt: der rechten Regierung Netanjahus, die den Küstenstreifen dauerhaft besetzen will, um Trump eine „Gaza Riviera“ zu ermöglichen – oder zum Beispiel den vielen Menschen in Tel Aviv, die seit über einem Jahr gegen ihren Ministerpräsidenten protestieren. Allen voran ehemalige Geiseln und ihre Familien, die ein sofortiges Ende dieses Krieges fordern.
KATHRIN.BRAUN@OVB.NET

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