Sieht so ein „schwarzer Metzger“ aus? Alois Rainer (CSU) ist der neue deutsche Agrarminister. © Soeder/DPA
München/Berlin – Das Bild vom schwarzen Metzger anstelle des grünen Vegetariers Cem Özdemir im Agrarministerium dürfte Alois Rainer so schnell nicht loswerden. Sein Parteichef Markus Söder nannte ihn so, als er den Metzgermeister aus Straubing als Minister präsentierte. Weil man sonst kaum was über den CSU-Abgeordneten wusste, blieb das Etikett kleben.
So martialisch wie Söders Beschreibung ist der Niederbayer gar nicht. Seit 2013 sitzt er im Bundestag, gilt als bodenständig, „Typ Handwerker“. Zuletzt leitete der 60-Jährige, der aus einer hochpolitischen Familie stammt – sein Vater war Abgeordneter, Schwester Gerda Hasselfeldt sogar Bundesministerin –, den Finanzausschuss. Doch als Minister für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat ist Rainer noch nicht groß in Erscheinung getreten. Für die Umweltverbände ist er sogar ein „ziemlich unbeschriebenes Blatt“, man befindet sich auf Spurensuche. „Keiner kennt ihn so recht“, sagt Harald Ulmer, Landwirtschaftsreferent beim BN in Bayern.
„Die Land- und Ernährungswirtschaft braucht eine starke Stimme in unserem Land“: Mit diesen Worten begann Rainer seine erste Rede im Bundestag am 15. Mai. Doch noch warten Landwirte und Naturschützer auf diese Tonlage. Mehr Tierwohl, mehr Planungssicherheit, bessere Wettbewerbsfähigkeit und weniger Bürokratie hat er angekündigt. „Der Schreibtisch darf nicht länger die zeitaufwendigste Ackerfläche sein.“ Die Dokumentationspflichten sollen runter. Rainer will weg von einer Bevormundung der Verbraucher, wie er sie bei den Grünen wahrgenommen hatte. Fleisch gehört für ihn zur gesunden Ernährung. Statt weiterer Reglementierung beim Tierwohl will er ein Förderprogramm für Tierwohlställe. Und kündigte die komplette Wiedereinführung der Agrardieselrückvergütung an: Ihr Aus hatte vor zwei Jahren tausende Bauern auf die Straße getrieben.
Ursprünglich hätte Günther Felßner, der bayerische Bauernpräsident, Minister werden sollen. Nach heftigem Protest aus dem Lager von Tierwohl-Aktivisten, die noch dazu auf Felßners Hof eingedrungen waren, zog er zurück. Felßner sagt, es gebe keinerlei Wehmut. Den neuen Minister kennt er gut. Er sei „mit einem guten Koalitionsvertrag gestartet“. Nun, den hatte Felßner ja noch mitverhandelt. Rainer habe sich als Mann der Praxis erwiesen, „jetzt kommt es darauf an, wie er die Dinge umsetzt“.
Felßners Forderungen: mehr an die Produktion denken. „Wir müssen die Eigenversorgung sichern.“ Es brauche Einkommensperspektiven für die Betriebe und Bürokratieabbau. Die Grundausrichtung stimme. „Jetzt muss der Erfolg auf den Platz gebracht werden.“ Die Landwirte hätten das Gefühl, dass Rainer nicht nur ihre Sprache spreche, sondern auch ihre Haltung verstehe aus dem eigenen Erleben heraus. „Sie haben Vertrauen, dass jetzt ein ehrlicher Anwalt für diese Dinge unterwegs ist. Weniger Ideologie, mehr Sachlichkeit.“
Das war ja auch Söders Hintergedanke bei der Personalauswahl: Ruhe reinbringen, Emotionen dämpfen. Und nebenbei mit einem bodenständigen Niederbayern dem Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger noch mehr entgegensetzen. Zumindest sein Heimatdorf Haibach, wo Rainer 18 Jahre Bürgermeister war, ist dermaßen aus dem Häuschen, dass man den Minister sofort zum Ehrenbürger ernannte, mitsamt Festzug am Privathaus und an der Metzgerei vorbei. „Ihr seid‘s alle a Stück Minister“, sagte er gerührt.
Dafür nahm Söder in Kauf, dass Rainer keine Führungserfahrung in einem Ministerium hat, das gefahrgeneigt ist und zuletzt grün regiert war. Kritischere Parteifreunde zweifeln an Rainers Durchsetzungskraft und Akteneifer. Dafür wurden ihm nun zwei parlamentarische Staatssekretäre – eine CDU-Juristin, eine CSU-Landwirtin – zur Seite gestellt. Rainer soll die beamtete Staatssekretärin von den Grünen entfernen und einen Abteilungsleiter zum obersten Beamten machen: den Bayern Markus Schick, promovierter Veterinärmediziner. Zudem holte sich Rainer eine erfahrene Pressechefin, die auch die CSU kennt, ins bisher mäßig kommunikative Haus.
„Gebt ihm Zeit, 100 Tage“, heißt es bei Agrarkundigen in Bayern. Der Bund Naturschutz vermisst indes klare Ziele für Nachhaltigkeit. Rainer sage „keinen Satz zu Klimaschutzzielen oder Emissionsreduktion“. Der Verband fürchtet, dass sich der Bürokratieabbau, der ja zu begrüßen sei, als „Abbau von Umwelt- und Naturschutzleistungen“ herausstellen könnte. Als unglücklich wertet Ulmer Rainers Aussage, dass Fleisch billiger werden müsse. „Damit hat er niemandem einen Gefallen getan. Das dient auch nicht den Bauern“, sagt er. „Wir brauchen keine Ramsch-Ware an der Theke.“