Kanzler trifft Kampftruppe

von Redaktion

Der Kanzler und seine Soldaten: Friedrich Merz neben Litauens Präsident Gitanas Nauseda beim Aufstellungsappell der Panzerbrigade 45. © Michael Kappeler/dpa

Vilnius – Hunderte Bundeswehrsoldaten sind auf dem Kathedralenplatz in Vilnius postiert, Kampfhubschrauber donnern im Tiefflug über sie hinweg: Die Mitglieder der neuen Brigade Litauen verkörpern nicht weniger als die viel beschworene „Zeitenwende“. Rund 5000 Soldaten werden in den kommenden beiden Jahren in dem Baltenstaat stationiert, um zur Abschreckung gegen Russland an der Nato-Ostflanke beizutragen. Es ist das erste Mal, dass Deutschland einen Verband dieser Größe dauerhaft ins Ausland entsendet.

Zum Aufstellungsappell der Panzerbrigade 45 sind Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) angereist. Zusammen mit Litauens Staatschef Gitanas Nauseda verfolgen sie die Zeremonie.

Deutschland führt bereits seit 2017 einen multinationalen Nato-Kampfverband in Litauen an, für den Bundeswehrsoldaten rotierend im Einsatz sind. Die neue Brigade hat aber eine andere Dimension: Rund 5000 Männer und Frauen, darunter 200 zivile Mitarbeiter, sollen ihr angehören. Der Aufbau der Brigade ist ein Kraftakt. Die Bundesregierung spricht von einem „der komplexesten und ambitioniertesten Vorhaben der Bundeswehrgeschichte“. Bis 2027 soll die Brigade einsatzbereit sein. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg – und der Zeitplan ist straff.

Von derzeit 400 Soldaten soll die Brigade schrittweise aufgebaut werden. Mitte 2026 sollen es 2000, bis 2027 rund 5000 Soldaten sein. Bis dahin müssen die beiden Standorte in Rudninkai und Rukla errichtet werden. Für die Familien der Soldaten sollen Wohnsiedlungen, Schulen und weitere Infrastruktur geschaffen werden.

Die Bundesregierung bezeichnet die neue Brigade in Litauen als ein „Leuchtturmprojekt“ der „Zeitenwende“, die Ex-Kanzler Olaf Scholz (SPD) Ende Februar 2022 ausgerufen hatte. Für den neuen Kanzler und den Verteidigungsminister ist der Appell ein dankbarer Termin. Sie können die trüben Aussichten in Bezug auf die Ukraine-Verhandlungen, die Debatte über die Erhöhung deutscher Militärausgaben und die vielerorts klaffenden Lücken bei der Bundeswehr ausblenden: In Vilnius präsentiert sich Deutschland als entschlossener Bündnispartner.

Die neue Brigade soll ein Signal sein, dass Deutschland seinen Beitrag zur Abschreckung an der Nato-Ostflanke leistet – auch mit Blick auf den Nato-Gipfel in vier Wochen. „Gemeinsam mit unseren Partnern sind wir entschlossen, das Bündnisgebiet gegen jede Aggression zu verteidigen“, betont Merz nach einem Treffen mit Nauseda. „Die Sicherheit unserer baltischen Verbündeten ist auch unsere Sicherheit.“ Nauseda dankt den deutschen Soldaten beim Appell auf dem Kathedralenplatz. „Mit ihrer Präsenz stärken Sie nicht nur Litauen. Dank ihres Engagements wird ganz Europa sicherer und stärker.“

Litauen fühlt sich wie die baltischen Nachbarn Lettland und Estland in besonderem Maß durch Russland bedroht. Der Nato-Mitgliedstaat will seine Verteidigungsausgaben daher deutlich erhöhen: ab 2026 will Litauen fünf Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben. Auch Deutschland peilt dieses Ziel inzwischen an. Merz bekräftigt das in Vilnius.

Der künftige Hauptstandort der Litauen-Brigade in Rudninkai liegt nur gut 30 Kilometer von der Grenze zum Russland-Verbündeten Belarus entfernt. Rund 170 Kilometer westlich liegt die sogenannte Suwalki-Lücke, die der Nato jahrelang Kopfzerbrechen bereitet hat. Das Gebiet an der polnisch-litauischen Grenze schließt im Norden an die russische Exklave Kaliningrad und im Süden an Belarus an. Im Kriegsfall könnten Russland und Belarus den 65 Kilometer breiten Landstreifen besetzen und den Baltenstaat so vom Rest des Nato-Gebiets abtrennen.

Doch solche Gedanken bestimmen die Atmosphäre am Donnerstag nicht. Rund um den Kathedralenplatz stehen deutsche Panzer und andere Militärfahrzeuge. Schaulustige schwenken deutsche und litauische Fähnchen, gelegentlich brandet Applaus auf. Bloße Show ist das nicht, das Land ist dankbar für das deutsche Engagement. Merz versichert ihnen, dass die Sicherheit der Partner eng verknüpft ist: „Der Schutz von Vilnius ist der Schutz von Berlin.“

Artikel 1 von 11