KOMMENTARE

Raus aus dem Windschatten

von Redaktion

Merz in Litauen

Friedrich Merz muss derzeit einen schmerzhaften Schnellkurs in realer Regierungspolitik durchlaufen: Seine Hoffnung, Donald Trump irgendwie im Boot zu halten, wenn es um die Eindämmung russischer Aggressionsgelüste geht, ist in nur einem Telefonat zwischen Trump und dessen Duzfreund Wladimir geplatzt. Der US-Präsident lässt die Ukraine fallen – und die bei der Trauerfeier für Papst Franziskus kurz aufgeflammte Hoffnung, dass Trump und seinem Vize JD Vance die westlichen Verbündeten doch nicht völlig egal sind, ist dahin.

Olaf Scholz hatte die verteidigungspolitische Zeitenwende ausgerufen – aber er war dabei immer bemüht, im Windschatten von US-Präsident Joe Biden zu segeln. Sein Nachfolger Merz ist nun gezwungen, das Leitschiff zu spielen. Das hat nichts mit wieder erwachten deutschen Großmachtphantasien zu tun. Im Gegenteil: Die europäischen Partner erwarten, dass die Bundesrepublik die jahrzehntelange pseudo-pazifistische Haltung aufgibt, lieber das Scheckbuch zu zücken als mit Soldaten und Waffen zu helfen. Der Verweis auf die NS-Vergangenheit ist heute keine Entschuldigung mehr, sich militärisch zurückzuhalten, sondern Verpflichtung, dabei zu helfen, ein aggressives Unrechtsregime einzudämmen.

Der Einsatz in Litauen ist gefährlich. Die belarussische Grenze, wo Putin und Lukaschenko bald wieder ihr Großmanöver abhalten wollen, liegt nur 30 Kilometer Luftlinie von den geplanten deutschen Kasernen in Rudninkai entfernt. Die baltischen Staaten sind der verwundbarste Teil der Nato, da die einzige Verbindung zu den Verbündeten die nur 70 Kilometer breite, zwischen der russischen Enklave Kaliningrad und Belarus eingezwängte Suwalki-Lücke ist.

Aber umso wichtiger ist, dass die Bundeswehr den so massiv gefährdeten Partnern Estland, Lettland und Litauen mit diesem Einsatz den Rücken stärkt. Es gibt wegen der noch immer unzureichenden Ausrüstung berechtigte Zweifel, ob dieser Einsatz die Bundeswehr überfordern könnte. Aber Merz und Boris Pistorius stehen glaubhaft dafür, dass sie die Bundeswehr wirklich so stärken wollen, dass sie eine ernst zu nehmende, abschreckende Kraft darstellen kann.

Aber es geht in Litauen nicht nur um das nötige Material: Auch die Soldaten und Soldatinnen dort brauchen größtmögliche Unterstützung, damit der lange Einsatz in diesem abgelegenen Waldgebiet nicht zum Albtraum wird.
KLAUS.RIMPEL@OVB.NET

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