Issa al H. wird kurz nach der Tat zu einem Hubschrauber gebracht. Ab heute sitzt er auf der Anklagebank. © dpa
Düsseldorf/Solingen – Es sollte ein rauschendes „Festival der Vielfalt“ werden: Auf drei Bühnen wollte Solingen sein 650-jähriges Bestehen feiern. Bis zu 75 000 Menschen wurden erwartet. Doch schon am ersten Abend um 21.37 Uhr beginnt das Grauen, gellen Schreie des Entsetzens. Kurz darauf wird das Fest abgebrochen.
Der Syrer Issa al H. soll sich am 23. August 2024 mit Messern in die Menge geschlichen, drei Besucher erstochen und versucht haben, zehn weitere zu töten. Die Opfer sind zwei Männer (56 und 67 Jahre alt) und eine Frau (56). Acht Menschen werden verletzt. Zwei Besucher verfehlt der Angreifer knapp, zerfetzt ihre Kleidung. Auch das wertet die Bundesanwaltschaft als Mordversuche.
Nach neun Monaten Untersuchungshaft sitzt Issa al H. ab heute auf der Anklagebank. Zwei Pflichtverteidiger wurden ihm zur Seite gestellt. Sie möchten sich vor dem Prozess nicht zu den Tatvorwürfen äußern, die die Bundesanwaltschaft auf 95 Seiten ausführt. Wenige Stunden vor der Tat soll der heute 27-Jährige der Terrorgruppe Islamischer Staat die Treue geschworen haben. Einen Tag später bekennt sich der IS zu der Attacke.
Auf der Gegenseite werden die Verteidiger es neben der Bundesanwaltschaft auch mit einer Reihe von Nebenklägern zu tun haben. Der Solinger Rechtsanwalt Simon Rampp vertritt acht Betroffene – sowohl Verletzte als auch Angehörige der Todesopfer. „Aus meiner Sicht ist die Beweislage erdrückend. Die Ermittler haben extrem gute Arbeit geleistet“, sagt er. Lebenslange Haft, besondere Schwere der Schuld, Sicherungsverwahrung: Er werde sich für die Höchststrafe einsetzen, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. Mit materieller Entschädigung könnten seine Mandanten nicht rechnen.
Die Bundesanwaltschaft hat den mutmaßlichen Attentäter wegen dreifachen Mordes und zehnfachen versuchten Mordes angeklagt. Zudem wird ihm vorgeworfen, IS-Terrorist zu sein. Als radikaler Islamist habe Issa al H. eine möglichst große Anzahl „Ungläubiger“ töten wollen. Über den Messenger-Dienst Telegram soll er vor der Tat in Kontakt zu einem IS-Mitglied gestanden und den Anschlag abgesprochen haben. Ihm soll er auch sein kurz vor dem Anschlag aufgenommenes Video geschickt haben, das der IS dann verbreitete.
Der Angeklagte hat sich gegenüber den Ermittlern und dem Haftrichter nicht zu den Vorwürfen geäußert. Gegenüber einem Psychiater soll er allerdings behauptet haben, während der Tat von Wahnvorstellungen und Halluzinationen getrieben gewesen zu sein. Eine Gerichtssprecherin betont dagegen, der Angeklagte gelte als voll schuldfähig. Der Anschlag hatte die politische Diskussion um Abschiebungen, das Dublin-System und die innere Sicherheit befeuert. Issa al H. sollte schon 2023 den EU-Asylregeln zufolge ins Erstaufnahmeland Bulgarien abgeschoben werden, entzog sich aber. Die Frist verstrich und er bekam subsidiären Schutz in Deutschland. Das Düsseldorfer Oberlandesgericht hat bis 24. September 22 Verhandlungstage angesetzt.