Palästinensische Kinder drängen sich in einem Verteilungszentrum in Chan Junis, um eine Essensration zu bekommen. © Hana/dpa
Tel Aviv – Der Gazastreifen liegt in Trümmern, die Menschen hungern. Aber noch immer gelingt es der Hamas, Raketen auf Israel abzufeuern. Zwei aus dem Süden des Gazastreifens abgefeuerte Geschosse seien gestern in dem Palästinensergebiet eingeschlagen, ein weiteres sei abgefangen worden, teilte das Militär mit. Doch auch wenn die Islamisten ihren Kampf noch immer fortsetzen, auch wenn sie noch immer bis zu 23 israelische Geiseln gefangen halten: Das weltweite Unverständnis über das Vorgehen des israelischen Militärs im Gazastreifen wird immer größer – auch bei den treuesten Israel-Verbündeten USA und Deutschland.
Auch Kanzler Friedrich Merz (CDU) verschärft seinen Ton gegenüber der israelischen Regierung: Es sei eine „menschliche Tragödie“, wenn etwa wie zuletzt bei einem Angriff auf eine Schule vor allem Kinder sterben. „Das lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen die Terroristen der Hamas begründen“, so der Bundeskanzler.
Merz sagte mit Verweis auf die historische Verantwortung gegenüber Israel, dass sich gerade Deutschland „mit öffentlichen Ratschlägen an Israel zurückhalten“ müsse. „Aber wenn Grenzen überschritten werden, wo einfach das humanitäre Völkerrecht jetzt wirklich verletzt wird, dann muss auch Deutschland, dann muss auch der deutsche Bundeskanzler dazu etwas sagen“, sagte Merz dem WDR.
Nach eigenen Worten will Merz noch in dieser Woche erneut mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu telefonieren.
Mehrere SPD-Bundestagsabgeordnete fordern wegen des Vorgehens Israels im Gazastreifen, die deutschen Waffenexporte nach Israel zu beenden. „Deutsche Waffen dürfen nicht zur Verbreitung humanitärer Katastrophen und zum Bruch des Völkerrechts genutzt werden“, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Adis Ahmetovic dem „Stern“.
Sein Parteikollege Ralf Stegner erklärte: „Die humanitäre Katastrophe für die palästinensische Zivilbevölkerung und der Bruch des Völkerrechts durch die Regierung Netanjahu müssen sofort beendet und dürfen nicht auch noch mit deutschen Waffen verlängert werden.“
Doch der auch von EU-Staaten wie Spanien geforderten Einstellung der Waffenlieferungen an Israel will sich die Bundesregierung nicht anschließen. Außenminister Johann Wadephul (CDU) erklärte bei seinem Besuch in Madrid zwar: „Es darf keine Vertreibung aus dem Gazastreifen geben. Es darf auch keine Politik des Aushungerns geben.“ Aber angesichts der äußeren Gefahren für den Staat Israel betonte Wadephul, dessen Sicherheit bleibe deutsche Staatsräson. „Dazu gehört selbstverständlich für die Zukunft auch die Bereitschaft, Waffen zu liefern.“
Der Außen-Experte der Union Armin Laschet kritisierte die scharfe Kritik von Spanien, Frankreich, Großbritannien und Kanada als „wirkungslos“: „Die Frage ist doch, wie erreichen wir es, dass Israel mehr humanitäre Hilfe zulässt, dass dieser Krieg zum Ende kommt, dass die Hamas die letzten Geiseln, auch die deutschen Staatsbürger, um die wir uns auch kümmern müssen, freilässt“, sagte Laschet. „Und da ist die stille Diplomatie, die klaren Worte, die Deutschland als enger Verbündeter Israels durch unseren Außenminister, auch durch den Bundeskanzler Israel übermittelt, wirkungsvoller als ständige Resolutionen und markige Sprüche.“
Israels Armee hat die Bewohner im südlichen Gazastreifen aufgefordert, die Region zu verlassen. Das Militär werde in der Gegend einen „beispiellosen Angriff“ beginnen, hieß es. Israels Militär plant, in den nächsten zwei Monaten bis zu 75 Prozent des Küstengebiets zu erobern, berichtete die „Times of Israel“.
Aus Hamas-Kreisen hieß es am Montag derweil, man sei bereit, eine neue Waffenruhe mit Israel zu vereinbaren. Nach palästinensischen Angaben sieht der Vorschlag die Freilassung von zehn im Gazastreifen festgehaltenen israelischen Geiseln, eine 70-tägige Waffenruhe und einen Teil-Abzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen vor.