Aufräumarbeiten: Nach den heftigsten russischen Drohnenangriffen seit Kriegsbeginn liegt Kiew in Trümmern. © Evgeniy Maloletka/dpa
Kiew – Kurz nach Mitternacht heulen in Kiew wieder die Sirenen. Nach mehr als drei Jahren Krieg ist der unheilvolle Klang des Luftalarms dort inzwischen Alltag. Doch dieser Angriff geht mit einem traurigen Rekord einher: In der Nacht zum Montag erlebt die Ukraine den größten russischen Drohnenangriff seit Kriegsbeginn.
Mit 355 Drohnen und Drohnenattrappen sowie neun Marschflugkörpern vom Typ X-101 griff Moskau nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe an. Die Zahlen des Militärs lassen sich nicht im Detail überprüfen, vermitteln aber einen Eindruck vom Ausmaß der Attacke. 14 Menschen wurden verletzt, 18 Wohnhäuser wurden von den Trümmern abgeschossener Drohnen zerstört. In Kiew dauerte der Luftalarm sechs Stunden an. Derweil setzte die ukrainische Armee ihre Angriffe ebenfalls fort. Am Montag griff sie Ziele in Russland mit Drohnen an. Diese störten den Flugverkehr an Moskauer Flughäfen.
„Es war eine harte Nacht für die gesamte Ukraine“, schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Montag auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. Er forderte erneut „verschärfte Sanktionen“ gegen Moskau. „Nur ein Gefühl völliger Straflosigkeit erlaubt Russland, solche Angriffe auszuführen und diese zu verstärken“, erklärte er.
Auch US-Präsident Donald Trump verurteilte die russischen Angriffe scharf. Der Republikaner, dem zuvor vorgeworfen worden war, nicht genügend Druck auf Moskau auszuüben, fand ungewöhnlich harte Worte und nannte den russischen Präsidenten Wladimir Putin „völlig verrückt“. „Er tötet unnötigerweise eine Menge Menschen, und ich spreche nicht nur von Soldaten“, erklärte Trump. „Raketen und Drohnen werden auf Städte in der Ukraine geschossen, ohne jeglichen Grund.“ Trump sagte, er habe immer ein gutes Verhältnis zu Putin gehabt, „aber irgendetwas ist mit ihm passiert“.
Jeder Versuch Moskaus, im Zuge seiner Invasion in dem Nachbarland das gesamte ukrainische Territorium zu erobern, werde zum „Untergang“ Russlands führen, so Trump weiter. Er selbst habe „immer gesagt, dass er die ganze Ukraine will, nicht nur ein Stück davon“, erklärte er über Putin. „Vielleicht erweist sich das als richtig, aber wenn er das tut, wird es zum Untergang Russlands führen.“
Der Kreml verteidigte Putins Vorgehen gegen Trumps Verbalattacken. „Präsident Putin trifft die notwendigen Entscheidungen, um die Sicherheit unseres Landes zu gewährleisten“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag. Die jüngsten russischen Angriffe seien lediglich eine „Antwort“ auf ukrainische Angriffe. Trumps ungewöhnlich scharfe Kritik gegen Putin sei möglicherweise auf emotionale Überlastung zurückzuführen, so Peskow weiter. Man stehe am Anfang eines Gesprächsprozesses über einen Frieden im Ukrainekrieg. Das sei „natürlich verbunden mit emotionaler Überlastung absolut aller und mit emotionalen Reaktionen“ verbunden.
Zur Abstimmung mit der neuen Bundesregierung wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einem Bericht zufolge am Mittwoch in Berlin erwartet. Wie der „Spiegel“ schreibt, will Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bei dem Treffen Schritte hin zu weiteren „technischen“ Gesprächen zwischen der Ukraine und Russland beraten.
Demnach will Merz den ukrainischen Präsidenten auch über Pläne für ein neues Sanktionspaket der EU gegen Russland informieren. Es soll den Druck auf Moskau erhöhen, sich auf ernsthafte Gespräche einzulassen. Die EU setzt bei der Verhängung von Sanktionen auf Abstimmung mit Partnern wie den USA. „Es ist an uns, Druck auf Russland auszuüben, damit auch dort der Wille zum Frieden entsteht“, so die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas am Montag. Auf europäischer Seite sei man bereit dazu und hoffe, dass andere diesem Beispiel folgten.
(MIT DPA)