Als Zuhörer zuckt man hier und da noch kurz zusammen. Ein Bundeskanzler gibt auf Fragen tatsächlich aussagekräftige Antworten. Das war man hierzulande gar nicht mehr gewohnt. Die offenere Kommunikation von Friedrich Merz ist eine Wohltat.
20 Jahre lang haben zunächst Angela Merkel und dann noch Olaf Scholz („schönen Dank für die Frage“) die Deutschen an einen Technokraten-Sprech gewöhnt, der Allgemeinplätze wie die Forderung nach „Maß und Mitte“ als politische Botschaften verkaufen sollte. Die CDU-Frau und der SPD-Mann entwickelten es geradezu zur Kunstform, mit vielen Worten möglichst wenig zu sagen. Nun steht da plötzlich einer, der frei erzählt, dass Donald Trump in Telefonaten am liebsten über sich selbst spricht und dass er Israels Vorgehen im Gaza-Streifen nicht mehr nachvollziehen kann. Ausgerechnet Merz, der vor seiner Wahl vielen eher kühl als offenherzig erschien, hat dem Amt die Sprache zurückgegeben.
Keine Frage: Diese Offenheit birgt auch Risiken. Wer, wie es Scholz getan hat, die Öffentlichkeit über seine Gedanken und Absichten so gut er kann im Unklaren lässt, schafft sich maximale Flexibilität und muss sich seltener rechtfertigen. Auch diplomatisch kann die losere Zunge gefährlich werden. Einer wie Donald Trump, der die Weltpolitik in persönliche Freunde und Gegner sortiert, kann einen leicht lästernden Ton auch mal übel nehmen, wenn er die Aussage in den falschen Hals bekommt – womöglich mit Auswirkungen auf Deutschland. Dennoch sind Merz´ offene Worte der richtige Stil zur richtigen Zeit. Eine beängstigend bröckelnde Allianz mit den USA, Krieg in Europa, gewaltige demografische und wirtschaftliche Problemstellungen: Deutschland steht vor – oder mitten in – historischen Umbrüchen. In so einer Phase braucht es keinen schweigenden Strippenzieher, sondern – frei nach Franz Josef Strauß – Führung, die sagt, was sie denkt, und tut, was sie sagt. Die große Herausforderung: Man sollte dann eben nur nichts Falsches sagen.
SEBASTIAN.HORSCH@OVB.NET