Hunger und Verzweiflung: Kinder in Gaza versuchen, etwas zu essen zu bekommen. © IMAD/epa
München – Es spielen sich dramatische Szenen ab. Die Vereinten Nationen haben zwar knapp 600 Lastwagenlieferungen durch den israelischen Grenzposten Kerem Schalom in den Gazastreifen gebracht. Auf den Lastwagen befinden sich unter anderem Mehl und Spezialnahrung für unterernährte Kinder. Doch eine Verteilung an Bedürftige sei kaum möglich, sagt der Sprecher des UN-Nothilfebüros in Genf, Jens Laerke. Die vom israelischen Militär zugewiesenen Straßen seien teils zu gefährlich und überfüllt. Manchmal würden Fahrgenehmigungen kurzfristig annulliert. Und wenn dann doch mal eine Ladung durchkommt, bilden sich Trauben verzweifelter Menschen.
Israel will die Nahrungsmittelverteilung nach UN-Angaben nur noch über die umstrittene neue Gaza Humanitarian Foundation organisieren. Diese verteilt Hilfsgüter unter Aufsicht von bewaffnetem Sicherheitspersonal an wenigen Standorten. Bedürftige müssten teils kilometerweit laufen. Das sei gefährlich, so Laerke. Essen müsse direkt zu den Menschen gebracht werden. Israel setzt auf die Stiftung, weil die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen nach Darstellung der Regierung UN-Hilfsgüter stiehlt, um sie zu verkaufen.
Die Lage ist kompliziert – auch politisch. Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz verschärfte sie am Freitag, als er die Errichtung eines israelischen Staates im besetzten Westjordanland ankündigte. „Wir werden den jüdischen israelischen Staat hier auf diesem Boden errichten“, erklärte Katz bei einem Besuch im Norden des Palästinensergebiets. Am Donnerstag hatte die israelische Regierung bereits den Bau von 22 neuen Siedlungen im besetzten Westjordanland angekündigt, obwohl dies nach internationalem Recht illegal ist.
Katz bezeichnete das als „entschiedene Antwort auf die terroristischen Organisationen, die versuchen, unserer Kontrolle über dieses Land zu schaden und sie zu schwächen“. Außerdem handele es sich um „eine klare Botschaft“ an Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und seine Partner.
Macron scheint aber mit seiner Geduld am Ende. Er drohte Israel, falls das Land nicht rasch für eine Verbesserung der humanitären Lage sorge. „Wenn es in den nächsten Stunden und Tagen keine Antwort gibt, die den Anforderungen der humanitären Situation entspricht, muss die kollektive Position natürlich verschärft werden“, sagte Macron. Die Blockade humanitärer Hilfe führe zu einer nicht hinnehmbaren Lage vor Ort. Priorität sei, dass Wasser, Nahrung und Medikamente verteilt würden und Verletzte den Küstenstreifen verlassen könnten.
Das israelische Außenministerium reagierte scharf: „Präsident Macrons Kreuzzug gegen den jüdischen Staat geht weiter.“ Doch auch Deutschland droht mit Konsequenzen. Außenminister Johann Wadephul will wegen des israelischen Vorgehens Waffenlieferungen überprüfen und möglicherweise einschränken, sagte er der „SZ“. Auf die Frage, ob dies zu einem teilweisen Lieferstopp führen könne, erklärte er: „Das sagt ja die Formulierung.“