Auf frühere Zivis warten neue Aufgaben. © Gabbert/dpa
Düsseldorf/Köln – Seinen Dienst fürs Vaterland hat Thomas Hüser nicht in der Kaserne, sondern Anfang der 1990er als Alterspflegehelfer bei der Caritas in Gladbeck absolviert. Doch seit dem russischen Überfall auf die Ukraine denkt der 54-jährige Ex-„Zivi“ anders: „Angesichts der globalen Bedrohungen ist der Dienst an der Waffe eine Frage des solidarischen Handelns. Nur starke Streitkräfte können uns schützen.“
Hüser hat seine Verweigerung zurückgenommen und sich nachträglich für den Dienst bei der Bundeswehr bereiterklärt. Er wartet jetzt auf eine Antwort von der Bundeswehr, ob und wann er zur Ausbildung eingezogen wird. „Ich bin sehr gespannt.“ Mit seiner Entscheidung steht der Kommunikationsfachmann und Manager, der heute eine Zinkhütte in Niedersachsen leitet, keineswegs allein.
Die Zahl der Rücknahmen oder Widerrufe der Kriegsdienstverweigerung wächst seit 2022 bundesweit, wie eine Sprecherin des zuständigen Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben in Köln mitteilt. In dem Jahr, als Russland seine großangelegte Invasion auf die Ukraine begann, waren es 487 Verzichtserklärungen, 2023 schon 536. Nach einer weiteren Steigerung im Folgejahr waren es dieses Jahr bis Ende April 311, was aufs Jahr gerechnet mehr als 900 entspricht.
Der Sprecher des Bundeswehr-Landeskommandos NRW in Düsseldorf, Ulrich Fonrobert, ist über den Sinneswandel erfreut. „Natürlich gibt es Chancen, vor allem bei den Heimatschutzregimentern“, sagt er. Allerdings erfordere die Eingliederung als Reservist einige Zeit – etwa für den Gesundheits-Checkup, die Sicherheitsüberprüfung und dann die Ausbildung mit zweimal 14 Tagen bei Ungedienten.
Für einen Mittfünfziger wie Hüser könne das wegen des Alters knapp werden. Beim für NRW zuständigen Heimatschutzregiment 2 in Münster zum Beispiel benötige man wegen der körperlichen infanteristischen Anforderungen vor allem jüngere Männer und Frauen. Entscheidend sei aber der Anstoß, der von solchen Entscheidungen ausgehe. „Das sind Vorbilder für andere, die oft jünger sind“, betont Fonrobert.
Aus seiner Belegschaft habe er sehr viel Aufmerksamkeit und Zustimmung bekommen, berichtet Hüser. Auch sein Konzernvorstand in der Schweiz habe zugestimmt: „Wenn ich ein paar Monate weg muss zur Ausbildung, kann ich gehen.“
Henner Pasch, Präsident der IHK in Wuppertal und Chef eines IT-Unternehmens, hat sich als einstiger Verweigerer nun ebenfalls beim „Bund“ gemeldet. Er sieht erheblichen Nutzen im Ernstfall: „Wir sind bisher nicht sehr resilient bei Krisen, das hat Corona gezeigt“, sagt der 44-Jährige. „Wenn wir angegriffen werden, kann ich mit meiner Führungserfahrung und mit meinen 11 000 Kontakten im Handy helfen, den Heimatschutz im Bergischen zu organisieren.“