Schutz für Frauen nach Fehlgeburten

von Redaktion

Berlin – Fünf Jahre sind vergangen, seitdem ein Gynäkologe Natascha Sagorski die traurige Nachricht überbrachte: Der Herzschlag ihres Babys war nicht mehr zu hören. Es war das abrupte Ende einer Schwangerschaft, über die sich die Münchnerin aus Oberföhring wochenlang gefreut hatte. Sagorski wurde zur Ausschabung in ein Krankenhaus gebracht, ein Eingriff unter Vollnarkose, bei dem der tote Fötus mit einem scharfen Löffel aus ihrer Gebärmutter entfernt wurde. Danach sagte die Ärztin, Sagorski könnte am nächsten Tag zur Arbeit gehen, eine Krankschreibung brauche sie nicht. Obwohl sie weder körperlich noch seelisch dazu in der Lage war.

Es ist es nicht einfach, dieser traumatischen Erfahrung etwas Positives abzugewinnen. Doch Sagorski, heute Mutter von zwei Kindern, sagt inzwischen: „Es war gut, dass ich ausgerechnet dieser Ärztin begegnet bin.“ Denn wäre sie damals krankgeschrieben worden, dann hätte die Autorin nie hinterfragt, warum Frauen nach Fehlgeburten keinen Anspruch auf gesetzlichen Schutz haben. Sie hätte keine Petition gestartet, wäre nicht vors Verfassungsgericht gezogen und hätte auch nicht Parteien im Bundestag überzeugt. Und es hätte wohl auch keine Mutterschutz-Reform gegeben, die am Sonntag in Kraft tritt.

Ab 1. Juni haben Frauen, die eine Fehlgeburt erleiden, Anspruch auf Mutterschutz – wie lang, hängt von der Dauer der Schwangerschaft ab. Bei einem Abort ab der 13. Woche sollen betroffene Frauen zwei Wochen lang nicht arbeiten – es sei denn, sie möchten das ausdrücklich. Ab der 17. Woche gelten sechs Wochen Schutzfrist, und ab der 20. Woche acht Wochen (wie auch für Mütter nach einer Entbindung). Den Anstoß zum gestaffelten Mutterschutz hat Sagorski mit ihrer Petition gegeben – sie wurde von mehr als 70 000 Unterstützern unterschrieben.

„Erstmals orientiert sich der Mutterschutz damit alleine an der Schwangerschaft der Frau, nicht an der Lebensfähigkeit des Kindes“, sagt Sagorski. Bisher hatten Frauen nur nach einer Totgeburt Anspruch auf eine Schutzfrist – nach einer Definition des Bundesfamilienministeriums ist das nur der Fall, wenn das Kind mindestens 500 Gramm wiegt oder ab der 24. Schwangerschaftswoche stirbt. Alles andere gilt rechtlich als Fehlgeburt, bei der Frauen bislang zwar um eine Krankschreibung bitten konnten – aber keinen Anspruch darauf hatten.

Das neue Gesetz, das der Bundestag Anfang des Jahres einstimmig verabschiedet hatte, dürfte nun tausende Frauen pro Jahr betreffen. Exakte Zahlen zu Fehlgeburten in Deutschland gibt es nicht, da Aborte vor allem in den ersten Schwangerschaftswochen oft unbemerkt bleiben – und weil Betroffene in vielen Fällen nicht darüber sprechen möchten. Dabei erleidet Schätzungen zufolge jede dritte Frau im Laufe ihres Lebens einen Abgang. „Ich habe die ganz große Hoffnung, dass mit der Gesetzesreform auch mehr darüber gesprochen wird“, sagt Sagorski. Für sie selbst hätte die Gesetzesreform damals nichts geändert, denn sie verlor ihr Kind in der zehnten Schwangerschaftswoche. „Wenn wir das Thema weiter aus der Tabuzone holen, es normalisieren, dann können wir vielleicht bald schon über einen früheren Mutterschutz sprechen“, sagt sie. Nun sei aber erst mal wichtig, dass möglichst viele Menschen von dem Gesetz erfahren – damit betroffene Frauen ihr Recht auch anerkennen können.
KATHRIN BRAUN

Artikel 4 von 11