CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer will die deutschen Klimaziele auf das Jahr 2050 verschieben, im schwarz-roten Koalitionsvertrag kommen Umweltschutz und Klimawandel kaum vor: Eigentlich müssten die Grünen von dieser Vernachlässigung ihrer zentralen Themen durch Union und SPD profitieren. Doch das Gegenteil ist der Fall: In einer aktuellen Umfrage zieht erstmals die Linke an den Grünen vorbei, die mit nur noch zehn Prozent Lichtjahre vom einstigen „Volkspartei“-Anspruch entfernt sind.
Der Hauptgrund für die derzeitige Krise der Öko-Partei ist sicher der Abgang der beiden Stars Annalena Baerbock und Robert Habeck. Es fehlt die prägende Figur, die der Partei eine strategische Richtung vorgibt. Und so lavieren die Grünen zwischen einem dezidiert bürgerlichen Wahlkampf von Cem Özdemir in Baden-Württemberg und linksradikalen Provokationen der Grüne-Jugend-Chefin Jette Nietzard.
Winfried Kretschmann legt Nietzard sogar den Übertritt zur Linkspartei nahe. Doch wahr ist auch, dass die Provokateurin durchaus eine Leerstelle der Partei zu füllen versucht: Vielen Ex-Grünen-Wählern ist der derzeitige Mitte-Kurs zu leise und pragmatisch. Die Linke trifft nicht nur den Ton der Jungwähler, sondern setzt auch auf Themen, die viele umtreiben: hohe Mieten und Lebensmittelpreise, Kampf gegen Dumping-Löhne und Super-Reiche. Die Grünen werden hingegen von vielen Wählern als Besserverdiener-Partei wahrgenommen, die derartige soziale Fragen nicht glaubwürdig vertreten kann.
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