Kann Merz Trump bändigen?

von Redaktion

Intensive Vorbereitung: Kanzler Merz trifft diese Woche in Washington den US-Präsidenten. © Michael Kappeler/dpa

München – Wenn es einen Weg ins Hirn (und womöglich gar ins Herz) dieses Mannes gibt, dann führt er über den Golfplatz. Donald Trump spielt nahezu wöchentlich, und man weiß, dass er zwischen Loch eins und Loch 18 besonders zugänglich ist. Finnlands Präsident Alexander Stubb ist der lebende Beweis: Seinen guten Draht zu Trump hat sich der 57-Jährige buchstäblich ergolft.

Man könnte also darauf hoffen, dass Friedrich Merz – noch so ein Golfer – seine Eisen einpackt, wenn er am Mittwochabend in den Flieger nach Washington steigt. Tags darauf trifft er dort den US-Präsidenten, wie sein Regierungssprecher bekannt gab. Für Merz, der die ersten Wochen seiner Kanzlerschaft zu großen Teilen der Außenpolitik widmete, ist es ein wegweisender Termin.

Die Themen, die es zu besprechen gibt, liegen auf der Hand. Da ist der Krieg in der Ukraine, den Russland durch seine neue Offensive gerade weiter verschärft. Da ist die Frage, wie Trump – kurz vor dem Gipfel Ende Juni – zur Nato steht. Merz hat diesbezüglich etwas vorzuweisen: die deutsche Litauenbrigade, die die Ostflanke des Bündnisses schützen soll, außerdem sein Bekenntnis zu dramatisch höheren Verteidigungsausgaben. Und da ist Trumps erratische Zollpolitik, auch wenn der Kanzler nur als Teil der EU sprechen kann.

All das hat enormes Gewicht. Die Frage ist: Findet Merz, golfend oder nicht, einen Draht zum Republikaner? Davon hängt, jenseits aller Sachthemen, das Gelingen dieses Treffens ab. „Trump und ich, wir kämen schon klar“, sagte Merz schon 2020. Und daran scheint sich nichts geändert zu haben. Im ZDF ließ er erst kürzlich wissen: „Ich brauche keinen Baldrian, um ruhig zu bleiben und mit dem amerikanischen Präsidenten ein vernünftiges Gespräch zu führen.“

Bisher sind sich die beiden nur einmal kurz in New York begegnet, viele Jahre her. Umso intensiver bereitet sich der Kanzler auf den Termin vor. Es heißt, er habe sich von verschiedenen anderen Staats- und Regierungschefs Tipps geholt: von den zwei Trump-Flüsterern Alexander Stubb und Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Aber auch von den Präsidenten der Ukraine und Südafrikas, Wolodymyr Selenskyj und Cyril Ramaphosa, denen der US-Präsident je einen ziemlich unangenehmen Empfang im Oval Office bereitete.

Ob Merz das auch droht? Auf Deutschland, das weiß man, ist Trump seit jeher besonders schlecht zu sprechen. Auch seine Vertrauten attackieren Berlin immer wieder. Elon Musk warb für die AfD, und als deren Neueinstufung durch den Verfassungsschutz öffentlich wurde, nannte US-Außenminister Marco Rubio Deutschland eine „verkappte Tyrannei“. Auch die scharfe Rede von US-Vize JD Vance bei der Münchner Siko klingt noch nach.

Immerhin: Im Umfeld des Kanzlers deutet man bisherige Zeichen aus Washington positiv. Merz darf im Blair House gegenüber dem Weißen Haus übernachten, eine seltene Ehre. Auch die Telefonate zwischen ihm und Trump verliefen bislang respektvoll. Einmal sprachen sie zu zweit, mehrmals – im Zuge der Ukraine-Diplomatie – mit anderen führenden Europäern: Macron, Starmer, Tusk. Seither nennen sich die beiden beim Vornamen, auch ihre Handynummern haben sie ausgetauscht.

Eine Strategie hat sich der Kanzler schon zurechtgelegt. Er wolle nicht als Bittsteller kommen, sagte er unlängst beim WDR-Europaforum. Man müsse sich auf Trump einstellen, sich zugleich aber „nicht kleiner machen, als wir sind“. Der Münchner Sicherheitsexperte Carlo Masala nannte das kürzlich mal ein „Umschmeicheln mit europäischem Selbstbewusstsein“. Man müsse dem Republikaner „beständig das Gefühl geben, dass er ein großer Staatsmann ist, der eine richtige Vision hat“.

Merz weiß, wie viel davon abhängt. In den ersten Wochen seiner Amtszeit hat er sich an die Spitze der europäischen Ukraine-Unterstützer gesetzt, die nach allen Regeln der Kunst versuchten, Trump auf ihre Seite zu ziehen. Doch der schwankt in Sachen Ukraine nach wie vor. In ihrem bislang letzten Telefonat deutete er gar an, sich aus den Friedensbemühungen zurückzuziehen. Das Problem: Ohne die USA lässt sich kaum wirksamer Druck auf den Kreml aufbauen.

Umso größer ist die Hoffnung, dass Merz bei Trump persönlich punktet – und dass er dessen WDR-Auftritt nicht registriert hat. Da plauderte der Kanzler nämlich auf offener Bühne aus dem Nähkästchen und erzählte, wie es in den Telefonaten zugeht. Der Großteil sei Smalltalk, sagte er, „sehr viel“ drehe sich um Trump, jedes zweite Wort sei „great“. Er äffte Trump sogar ein wenig nach. Schwer zu glauben, dass der darüber lachen kann.

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