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Viele wichtige Fragen sind völlig offen

von Redaktion

Pflichtversicherung für Hochwasser

Eine Flut schwemmt das Haus weg, Starkregen flutet den Keller, ein Hangrutsch begräbt ein Dorf, Schneemassen drücken Dächer ein: Besonders im Alpenraum sind solche Horrorszenarien wegen des Klimawandels längst Alltag. Das zerstört Lebensträume und wird auch für den Staat zum Problem. Er springt regelmäßig ein, weil Menschen bei Naturkatastrophen ihr Dach über dem Kopf verlieren.

Diese Solidarität ist teuer, aber alternativlos. Wer unverschuldet plötzlich vor dem Ruin steht, muss von der Gesellschaft aufgefangen werden. Ob es jedoch wirklich eine private Pflichtversicherung für solche Elementarschäden braucht, wie es derzeit einige Politiker fordern, darf man hingegen durchaus diskutieren. Denn erstens sollte man mit gesetzlichen Pflichten und Zwängen sparsam umgehen. Und zweitens sind viele zentrale Fragen zur Versicherungspflicht völlig offen.

So ist unklar, ob sich künftig auch der Flachländer gegen Hangrutsche versichern soll, obwohl es keinen Hang in seiner Nähe gibt. Oder der Bergbauer gegen Hochwasser. Das würde Risiken zwar auf viele Schultern verteilen, aber auch bei vielen Hausbesitzern Stirnrunzeln auslösen. Gibt es dagegen nur die Pflicht, die größten Risiken abzusichern, stellt sich die Finanzierungfrage: Bleiben Hochwasser-Versicherungen in Flutgebieten dann unbezahlbar, obwohl sie verpflichtend sind? Will die Politik sie subventionieren? Was passiert, wenn statt der Flut ein Waldbrand riesige Schäden verursacht? Und was macht der Staat, falls Pflichtversicherungen Zahlungen verweigern? Versicherer sind sehr findig darin, Schlupflöcher zu schaffen. Sie drücken sich etwa bei Fluten gerne mit dem Verweis darauf, gestiegenes Grundwasser und nicht das Hochwasser oder der Starkregen selbst hätte einen Schaden verursacht.

Soll die Pflichtversicherung kommen, müssen diese Fragen schnellstens geklärt werden. Tut man das nicht, schafft man im Zweifel nur ein teures Konjunkturprogramm für die Versicherungsbranche, das weder Staat noch Bürgern hilft. Und: Selbst die beste Versicherung schützt vor Schaden nicht. Parallel muss deshalb weiter mit Hochtouren an Präventionsmaßnahmen gearbeitet werden. Denn die Zahl der Naturkatastrophen dürfte weiter steigen.
ANDREAS.HOESS@OVB.NET

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