Baerbocks Neuanfang in New York

von Redaktion

Baerbock ist Präsidentin UN-Generalversammlung.

New York – Sie war die erste und jüngste Außenministerin, und wäre das auch gern geblieben. Doch als nach dem Wahlsieg der Union feststand, dass die Grünen nicht mehr regieren, wollte auch Annalena Baerbock ein neues, ein weiterhin politisches Amt. Gestern am frühen Abend hat sie es bekommen: Die Vereinten Nationen haben die 44-Jährige zur neuen Präsidentin gewählt. Sie wolle eine „ehrliche Maklerin“ sein, gelobte sie.

Vorher gab es allerdings einige Hürden – und ein etwas kurioses Wahlergebnis. Eigentlich ist die Präsidenten-Wahl eher eine Formsache. In der Regel besiegelt die Vollversammlung eine Personalie ohne Gegenkandidaten per Akklamation, also im Konsens. Diesmal beantragte ein Mitgliedstaat – Vermutungen zufolge Russland – eine geheime Wahl. Das verzögerte den Wahlakt. Und brachte Baerbock Gegenstimmen.

188 Länder stimmten ab, 14 davon enthielten sich. 167 stimmten für Baerbock, sieben für Helga Schmid. Auf diese sieben Stimmen kommt es zwar nicht an, sie sind aber pikant wegen der Vorgeschichte. Schmid war für den Posten nämlich seit Langem fest vorgesehen. Die erfahrene Beamtin mit bayerischen Wurzeln bewegt sich seit vielen Jahren auf höchster diplomatischer Ebene, hatte sich in New York schon vorgestellt – bis Baerbock kam und den Posten beanspruchte. Einige Tage lang gab das Schlagzeilen und Kritik – sogar vom ehemaligen Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz: „Es ist eine Unverschämtheit, die beste und international erfahrenste deutsche Diplomatin durch ein Auslaufmodell zu ersetzen“, sagte Christoph Heusgen.

Jetzt stand Schmid nicht auf den Wahlzetteln – erhielt aber trotzdem sieben Stimmen. Von wem, kann nur vermutet werden. Russland macht kein Hehl daraus, dass es Baerbock für ungeeignet hält. Moskaus stellvertretender UN-Botschafter warf ihr öffentlich „eklatante Voreingenommenheit“ vor, sie sei eine Person „ohne diplomatische Fähigkeiten“.

Schon als Außenministerin verhielt sich Baerbock beizeiten undiplomatischer und direkter, als man es von ihren Vorgängern gewohnt war. Baerbock fuhr klare Kante gegen Russland, sprach offen und forsch und geriet zuletzt auch mit dem russischen Kollegen Sergej Lawrow aneinander. Jetzt in New York versprach sie in ihrer Vorstellungsrede einen diplomatischeren Ton. Sie wolle „ein offenes Ohr für alle Mitgliedstaaten haben, allen 193 Staaten dienen, groß wie klein“. Sie wolle eine „einende Kraft“ sein.

Baerbock ist nun ab September für ein Jahr im Amt. Es ist der zweitwichtigste Job bei den Vereinten Nationen. Anders als der UN-Generalsekretär – derzeit der Portugiese António Guterres – übernimmt der Präsident der Generalversammlung vornehmlich protokollarische Aufgaben. Er organisiert und leitet Sitzungen und achtet beispielsweise darauf, dass jedes der 193 Mitglieder seine Redezeit einhält.
E. KRONENBITTER

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