Traut Deutschland nicht: Polens neuer Präsident Karol Nawrocki (M.) mit seiner Frau Marta Nawrocka und seinem Sohn Antoni bei einer Wahlparty. © Leszek Szymanski/dpa
Warschau – Bis in die Nacht stand es Spitz auf Knopf, doch dann war klar: Polen rückt mit dem Sieg des Rechtskonservativen Karol Nawrocki bei der Präsidentenwahl wieder nach rechts. Vor allem für Regierungschef Donald Tusk sind das schlechte Nachrichten: Denn Nawrocki kann ihn mit seinem Vetorecht dabei stoppen, die Beschädigungen der Demokratie rückgängig zu machen, die die acht Jahre amtierende rechtskonservative PiS-Regierung hinterlassen hat.
Der politisch unerfahrene 42-jährige Historiker Nawrocki verdankt seinen Aufstieg dem mächtigen PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, einem Erzfeind von Tusk. Das Ziel von Nawrockis Amtszeit ist klar: Die Regierung Tusk zu Fall zu bringen. Am Montagabend kündigte Tusk an, in Kürze im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen. Er wolle die Regierungsarbeit fortsetzen und hoffe darauf, mit dem künftigen Präsidenten zusammenarbeiten zu können, fügte Tusk hinzu.
In Polen hat der Präsident mehr Macht als in Deutschland. Er bestimmt die Linien der Außenpolitik mit, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und kann Gesetze per Veto stoppen. Diese Machtfülle bekommt nun einer, den der Politologe Antoni Dudek ein „klassisches Beispiel für eine autoritäre Persönlichkeit“ nennt.
Nawrocki leitete zuletzt das Institut für Nationales Gedenken, das in etwa der aufgelösten Behörde für Stasiunterlagen entspricht. Der gebürtige Danziger stammt aus einfachen Verhältnissen, war in seiner Jugend Amateurboxer und jobbte als Türsteher in einem Luxushotel. Er hat Kontakte ins Rotlichtmilieu und zur Hooliganszene. 2009 war er an einer Massenschlägerei von Fußballfans beteiligt.
Die PiS regierte Polen von 2015 bis 2023. In dieser Zeit schränkte sie die Medienfreiheit ein und baute das Justizwesen um. Die EU-Kommission sah darin einen Verstoß gegen die Gewaltenteilung und sperrte sogar Fördergelder in Milliardenhöhe. Inzwischen wurden die Gelder wieder freigegeben, aber nur, weil der seit Dezember 2023 regierende Tusk Brüssel zusicherte, die Justizreformen rückgängig zu machen.
Doch dieser Prozess ist bislang nicht richtig vorangekommen. Der Grund: Der bisherige Präsident Andrzej Duda, der aus den Reihen der PiS stammt, blockierte die entscheidenden Gesetze. Und Tusks Regierung hat im Parlament nicht die erforderliche Mehrheit von 60 Prozent, um das präsidiale Veto aufzuheben. Setzt Nawrocki diese Blockade-Politik fort, kommt Polen nicht vom Fleck.
Das zu erwartende innenpolitische Chaos könne sich auch auf die Außenpolitik auswirken, glaubt Agnieszka Lada-Konefal vom Deutschen Polen-Institut. „Die Regierung wird hauptsächlich mit dem Kampf gegen den Präsidenten beschäftigt sein und außenpolitisch wenig Platz für Manöver haben.“ Tusk sei unter Druck und werde jede positive Bewegung Richtung Deutschland vermeiden. Große deutsch-polnische Initiativen seien deshalb nicht zu erwarten.
Nawrocki habe schon im Wahlkampf betont, dass man Deutschland nie vertrauen dürfe, so die Expertin weiter. „Das wird die deutsch-polnischen Beziehungen nicht erleichtern.“ Der parteilose Historiker hatte auch angekündigt, er werde als Präsident für Weltkriegs-Reparationen von Deutschland kämpfen.
Mit Unbehagen dürfte auch die Ukraine auf Polen schauen, das bisher einer der engsten Verbündeten Kiews ist. Nawrocki hatte zuletzt angekündigt, kein Gesetz zu unterzeichnen, das den Beitritt der Ukraine zur Nato ratifiziert.