Viel unterwegs, noch nicht immer trittsicher: Außenminister Johann Wadephul vor einem Flugzeug der Flugbereitschaft. © Jörg Blank/dpa
Berlin/München – Gute Außenpolitiker haben das Talent, in großen, wichtig klingenden Wortwolken nichts zu sagen. Umso heikler wird‘s, wenn sie einsilbig werden. Als Johann Wadephul letzte Woche im Bundestag ins rituelle Kreuzverhör der Abgeordneten genommen wurde, lief es genau so. Die kürzeste Antwort des neuen Außenministers sorgt für den größten Ärger. Da nämlich räumte er ein, es werde weitere Flüge des Afghanistan-Aufnahmeprogramms geben.
Er könne kein Datum nennen, sagte der CDU-Minister auf eine Frage der Grünen: „Aber da, wo wir Aufnahmezusagen in rechtlich verbindlicher Form gegeben haben, halten wir die selbstverständlich ein.“ Das klang ganz anders als die Ansage von CDU und CSU im Wahlkampf, die hoch umstrittene Aufnahme sofort zu stoppen. Das Sitzungsprotokoll notiert einen hämischen Zuruf der Grünen: „Aha!“
Es ist mehr als ein kleiner Aha-Effekt. Noch im April hatten CDU und CSU unter großem Medienecho auf Rot-Grün geschimpft, das noch schnell Flüge durchpeitschte. Die Erkenntnis, dass sich die neue Regierung jetzt auch rechtlich gebunden sieht, bis zu 2600 weitere afghanische Ortskräfte nach Deutschland zu holen, ist politisch brisant. Seit Tagen schlachten das vor allem rechte und rechtsradikale Portale im Internet zornig aus.
Wadephul wird wenig Freude damit haben, die nächsten angeblich 16 Flüge erklären zu müssen, zumal es Zweifel an den Identitäten der Afghanen gibt. Vorerst sind die Flüge ausgesetzt. Doch der Minister steuert da auf ein Problem zu. Weil gleichzeitig die Dobrindt-Grenzkontrollen juristisch und politisch wackeln, aber noch kein EU-Konzept für Flüchtlingszentren an den Außengrenzen steht, droht der ernüchternde Eindruck, die Migrationswende der Merz-Regierung wackle insgesamt.
Und dann gleich das Lob für Baerbock
Wadephul eckte in seinen ersten fünf Wochen schon mehrfach in der Koalition an. Er war noch keine Stunde in seinem Haus, da bescheinigte er der grünen Vorgängerin, der „lieben Annalena“ Baerbock, ihr Einsatz sei „spitze“ gewesen. Das fand sie angemessen; die Union weniger. Als Nächstes überraschte er dann die SPD. Wadephul kündigte als Erster das Ziel an, die Verteidigungsausgaben massiv auf fünf Prozent zu erhöhen. Kanzler Merz folgte bald darauf, hatte auch inhaltlich kein Problem, aber mit den Sozialdemokraten war das nicht final abgestimmt.
Für lauteren Ärger sorgten die Israel-Aussagen. Der Minister warnte vor deutscher „Zwangssolidarität“ und drohte eine Überprüfung von Waffenexporten an. Die CSU, die sich sehr eng an Israels Seite sieht, widersprach öffentlich. Landesgruppenchef Alexander Hoffmann sagte: „Freunde kann man kritisieren, aber nicht sanktionieren. Das wäre das Ende der Staatsräson gegenüber Israel, das ist mit der CSU nicht zu machen.“ CSU-Chef Markus Söder verschärfte die Warnung: „Wo ich echte Probleme habe: Eine Aufkündigung der grundsätzlichen Solidarität würde ich nicht unterstützen.“ Der Satz des Ministers sei „einfach zu viel“ gewesen. Die „Bild“ kolportiert gar, in der CSU-Spitze gelte Wadephul als „tickende Zeitbombe“.
Ein klärendes Gespräch war unionsintern, auch mit CDU-Kollegen, nötig. Den Israel-Ärger dämpfte Wadephul, indem er sofort seinem Kollegen Gideon Saar weitere Waffenlieferungen zusagte, das Land müsse sich verteidigen können.
Wadephul habe in diesen Fällen „leichtfertig, nicht bösartig“ agiert, sagt eine Kollegin aus dem näheren Umfeld. Das Ministerium, das er mit zwei frischen beamteten Staatssekretären und drei fach-erfahrenen politischen Staatsministern früh neu aufstellte, soll ihm nun den einen oder anderen freundlichen Rat geben.
Was seinen Start nicht leichter macht: Der 62-Jährige ist in der Außenpolitik nur zweite Geige, die Chefrolle füllt Kanzler Merz leidenschaftlich gern selbst aus mit seinen vielen Europareisen und der USA-Tour. Ob der bundesweit kaum bekannte, aber inhaltlich erfahrene Wadephul nun derweil nach Paris, Warschau, Tel Aviv, London, Antalya, Brüssel, Madrid, Lissabon, Washington fliegt (das war sein Programm für Mai) oder nicht, macht kaum Schlagzeilen.
Merz selbst schließt sich dem Murren übrigens nicht an. Er ist dem Vernehmen nach mit seinem Duzfreund „Jo“ nach wie vor nicht unzufrieden.