Vom Minister persönlich befördert: Boris Pistorius (SPD, l) beim Veteranentag in Hamburg. © dpa
Berlin – Es ist viel von Ehre die Rede an diesem Tag, und von Respekt. „Es war höchste Zeit für diesen Schritt, für einen Nationalen Veteranentag“, sagt etwa Julia Klöckner, die Bundestagspräsidentin. „Denn dieser Tag schafft etwas, das eigentlich lange gefehlt hat: öffentliche Sichtbarkeit, Anerkennung, Respekt für alle, die in den Streitkräften gedient haben.“ Für einen Tag sind Ehre und Respekt greifbar bei weit über 100 Veranstaltungen bundesweit. Aber was dann?
Der erste Veteranentag, vor gut einem Jahr im Bundestag beschlossen, kann wohl als Erfolg für die Anliegen der Bundeswehr verbucht werden. Es geht ja nicht allein um Ehemalige oder Verwundete, der Begriff des Veteranen soll in Deutschland auch aktive Soldaten umfassen. Tatsächlich sind die am Sonntag recht präsent im öffentlichen Bild: Klöckner lädt zum Großevent mit Konzerten ans Reichstagsgebäude, Verteidigungsminister Boris Pistorius ruft zu einem feierlichen Appell mitten in Hamburg. „Ihr Platz ist in der Mitte der Gesellschaft“, spricht Pistorius zu den Soldaten.
Gleichzeitig setzt an diesem ersten Gedenktag eine politische Debatte ein, die zuletzt etwas stockend in Gang kam: über einen Pflichtdienst. Jens Spahn, der Chef der Unionsfraktion, macht sich zu einem Wortführer. Er fordert, die Bundeswehr schon auf Pflichtdienste vorzubereiten – auch wenn die SPD das nicht will. „Es muss auf jeden Fall eine Struktur bei der Bundeswehr geschaffen werden, die eine zügige Rückkehr zur Wehrpflicht möglich macht. Das geht nicht von heute auf morgen, aber wir müssen mit den Vorbereitungen beginnen“, sagte der CDU-Politiker der „Rheinischen Post“. „Wenn das über Freiwilligkeit gelingen sollte, gut. Mein Eindruck aber ist, dass wir die Wehrpflicht dafür brauchen werden.“
Spahn liegt da auf einer Linie mit dem neuen Wehrbeauftragten des Bundestags, dem CDU-Politiker Henning Otte. Klöckner, die Bundestagspräsidentin, spricht sogar von einer allgemeinen Dienstpflicht, die auch andere Bereiche des sozialen Lebens umfasst. CSU-Chef Markus Söder sagte jüngst, wegen der großen Herausforderungen glaube er weiterhin nicht, dass es ohne Wehrpflicht gelingen könne. Aus der CSU-Landtagsfraktion wird zudem immer wieder der Vorstoß für ein „verpflichtendes Gesellschaftsjahr“ vorgetragen. Männer und Frauen gleichermaßen sollen sechs bis sieben Monate am Stück und/oder gestaffelt bei der Bundeswehr, in Vereinen oder sozialen Einrichtungen anpacken. Das soll (freiwillig) auch Älteren offenstehen.
Im Koalitionsvertrag von Union und SPD kommt das Wort „Wehrpflicht“ nicht vor. Darin heißt es stattdessen: „Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert.“ Hier hatte sich die SPD in den Verhandlungen durchgesetzt. Parteichef Lars Klingbeil betonte mehrfach, man müsse „die Attraktivität der Bundeswehr steigern. Ich bin mir sicher, über diesen Weg wird man ausreichend Freiwillige finden.“ Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) warnt aber, dass die vereinbarte Freiwilligkeit nur gilt, wenn der Bedarf an Soldaten auf diesem Weg gedeckt werden kann.
Dieser Bedarf wächst. Inzwischen haben die Nato-Verteidigungsminister vereinbart, was jedes Mitgliedsland beitragen muss, damit die Allianz ausreichend verteidigungsfähig ist gegen einen potenziellen hochgerüsteten Angreifer wie Russland. Deutschland benötige daher 50 000 bis 60 000 aktive Soldaten mehr, sagte Pistorius. Problem: Schon das bisherige Ziel von 203 000 Männern und Frauen in den stehenden Streitkräften wurde verfehlt, trotz allerlei Werbekampagnen, „Personalwenden“ und gesenkter Anforderungen sank die Zahl auf kaum mehr als 181 000. Die Wehrpflicht, 2011 nach 55 Jahren ausgesetzt, gilt nur für Männer und tritt wieder in Kraft, wenn der Bundestag den Spannungs- oder Verteidigungsfall feststellt. Soll die Pflicht auch für Frauen gelten, müsste das Grundgesetz geändert werden.
Die Deutschen haben dazu ein gespaltenes Bild. Laut einer Insa-Umfrage für „Bild“ würde aktuell nur gut jeder dritte Bundesbürger (36 Prozent) Wehrdienst leisten wollen. 51 Prozent würden den Dienst an der Waffe verweigern. Grundsätzlich spricht sich aber ein größerer Teil für eine Wehrpflicht für die Generation ihrer Kinder oder Enkel aus: 47 Prozent fänden das gut, 34 Prozent schlecht.