Angespannte Runde: In Kanada kamen Antonio Costa (Europäischer Rat, von links im Uhrzeigersinn), Shigeru Ishiba (Japan), Giorgia Meloni (Italien), Emmanuel Macron (Frankreich), Mark Carney (Kanada), Donald Trump (USA), Keir Starmer (Großbritannien), Kanzler Friedrich Merz und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen zusammen. © Michael Kappeler/AFP
Kananaskis – Der G7-Gipfel hat noch gar nicht begonnen, da stellt Donald Trump schon das ganze Format infrage. Es gibt viele Themen zu besprechen: die neue Eskalation im Nahen Osten, der nicht enden wollende Krieg in der Ukraine, Zölle. Doch als der US-Präsident vom kanadischen Premierminister Mark Carney vor der Kulisse der Rocky Mountains empfangen wird, brennt ihm vor allem eines auf der Seele: Jemand fehlt. Es sei ein „großer Fehler“, dass Wladimir Putin 2014 aus der Gruppe der damaligen G8 geworfen wurde, sagt Trump.
Das war kurz nach der Annexion der Krim. Putins Rückkehr gilt seitdem als undenkbar – erst recht nach der Invasion in der Ukraine 2022. Trump sagt dagegen: „Ich glaube, es gäbe jetzt keinen Krieg, wenn Russland dabei wäre.“ Putin sei sehr beleidigt gewesen, als er aus der Runde verbannt wurde. Trump gibt sich mitfühlend: „So wie ich es wäre, so wie Sie es wären, so wie es jeder wäre.“ Der Kremlchef spreche deshalb mit niemandem außer mit ihm.
Für die europäischen Bündnispartner ist das blanke Provokation. Ziel solcher Gipfeltreffen ist eigentlich, eine einheitliche politische Linie unter den Teilnehmern zu finden: Zu ihnen gehören neben dem Gastgeber Kanada, den USA und Deutschland auch Japan, Frankreich, Italien und Großbritannien. Bisher war es so, dass die G7 als Wertegemeinschaft der großen westlichen Demokratien gerade aus der Abgrenzung zu Autokratien wie China und Russland ihre Daseinsberechtigung ableitete.
Je weiter die G7-Staaten bei den großen Konflikten auseinanderdriften, desto größer ist die Gefahr, dass die Runde ihre politische Bedeutung verlieren könnte. Auch Japan (als Gegenspieler Chinas) dürfte sich von Trumps Rhetorik vor den Kopf gestoßen fühlen. Auf Nachfrage eines Reporters, ob China als eine der größten Volkswirtschaften der Welt in die Runde aufgenommen werden sollte, entgegnet der Republikaner, dies sei „keine schlechte Idee“.
Bundeskanzler Friedrich Merz erwartet im kanadischen Kananaskis eine schwierige Gratwanderung. Nicht nur, weil es für ihn die erste große Bewährungsprobe bei einem internationalen Treffen ist. Gerade erst hatten er und Trump bei seinem Besuch im Weißen Haus warme Worte füreinander gefunden, da muss er ihm zum Auftakt des G7-Gipfels widersprechen. Nachdem Trump vorgeschlagen hat, Putin könne gar im Krieg zwischen Israel und dem Iran als Vermittler dienen („Ich wäre offen dafür“), sagt Merz: „Ich sehe persönlich nicht, dass der russische Staatspräsident in diesem Konflikt eine vermittelnde Rolle spielen könnte“. Putin solle stattdessen seinen Krieg gegen die Ukraine beenden. „Wenn Putin diesen Krieg beendet, dann hat er an dem Schauplatz der Welt, der uns zurzeit mit am meisten beschwert, das Notwendige und das Richtige getan“, erklärt der Kanzler. „Ich würde das sehr begrüßen.“
Merz war eigentlich zuversichtlich in den Gipfel gegangen und hatte vor seinem Abflug gesagt, dass er trotz aller Differenzen auf ein Signal der Einigkeit hoffe. Noch vor der ersten Arbeitssitzung zur Lage der Weltwirtschaft trifft er Trump für 20 Minuten, um Gemeinsamkeiten auszuloten – neben dem Gastgeber Carney ist er der einzige Staatschef, für den sich Trump vor dem Gipfel Zeit nimmt. Worüber sie genau gesprochen haben, erfährt die Öffentlichkeit aber vorerst nicht.
Am heutigen Dienstag wird auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei dem Gipfel erwartet. Er will sich auch mit Trump alleine treffen. Schon vorab hat er die G7-Runde aufgefordert, den Druck auf Russland zu erhöhen. Die EU hat dabei mit einem 18. Sanktionspaket vorgelegt. Merz hofft darauf, dass Trump nachzieht. „Ich würde mir sehr wünschen, dass sich die Vereinigten Staaten von Amerika dem anschließen und auch auf ihrer Seite entsprechende Sanktionen verhängen“, sagt er. Doch die Aussichten darauf sind wohl eher düster.