GASTBEITRAG

Der Balance-Akt der Saudis

von Redaktion

Die Reaktionen der Golfmonarchien auf den Angriff Israels auf den Iran waren nicht anders zu erwarten: Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) verurteilten einstimmig die „eklatante israelische Aggression“. Insbesondere für das sunnitische Herrschaftshaus in Saudi-Arabien kommt die Eskalation zur Unzeit.

Das Land hat sich einem rasanten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel verschrieben. Mittelfristig wird es aber nicht ausreichen, im Eiltempo in Bereiche wie Unterhaltung, Tourismus, Infrastruktur und Sport zu investieren. Um in Zukunft auch als attraktiver internationaler Wirtschaftsstandort zu gelten, bedarf es stabiler Rahmenbedingungen – allen voran einer friedlichen Ordnung in der Region. Genau diese für Saudi-Arabien immens wichtige Stabilität wird durch die jüngste Eskalation unterminiert.

Fest steht: In der Golfregion, und besonders in Saudi-Arabien, kreist der aktuelle politische Diskurs hinsichtlich des Konflikts weniger um militärstrategische oder völkerrechtliche Fragestellungen – etwa, ob es sich bei den israelischen Luftschlägen um eine „antizipierte Selbstverteidigung“ angesichts der iranischen Bestrebungen zur Erlangung nuklearer Waffen handeln könnte. Man ist hier viel zu stark beschäftigt mit der Umsetzung des eigenen Reformprogramms.

Auch angesichts der humanitären Lage im Gazastreifen positioniert sich Saudi-Arabien als Sachwalter der sunnitischen Muslime strategisch: Seit knapp zehn Jahren versuchen die USA, eine Normalisierung der israelisch-saudischen Beziehungen zu vermitteln. Saudi-Arabien knüpft diese an die Bedingung, einen unabhängigen Palästinenserstaat zu gründen. In Riad weiß man genau: Innerhalb großer Teile der Gesamtbevölkerung sind die Sympathien klar auf der Seite der Palästinenser.

In den kommenden Tagen und Wochen wird sich wohl zeigen, ob es angesichts einer ohnmächtigen Hisbollah im Libanon, eines implodierten Assad-Regimes in Syrien, einer dezimierten Huthi-Organisation im Jemen und nun eines bedrängten Mullah-Regimes in Teheran zu großen Umwälzungen in der Region kommen könnte. Wenn ein geschwächter Iran ein Machtvakuum hinterlässt, könnte neben Israel eine gemäßigte sunnitische Allianz, zu der Ägypten, Jordanien, die VAE und Saudi-Arabien gehören, als großer Profiteur hervorgehen. Auch das beobachten die arabischen Anrainer am Persischen Golf – natürlich, ohne das offen auszusprechen.

Der Autor

Sebastian Maier hat Internationale Sicherheit am King’s College London studiert und ist heute als freier Unternehmensberater tätig. Er vertritt den deutschen Mittelstand bei Strategiefragen in der arabischen Welt.

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