München – Für die Bürgerinitiative Pro Krankenhaus Schongau war es ein überwältigender Erfolg, für die Landrätin ein mittelgroßer Schock. Mit fast 70 Prozent der Stimmen lehnten die Landkreis-Bürger im Dezember 2022 den Kreistagsplan für ein Zentralkrankenhaus in Peißenberg ab, um stattdessen an den zwei bestehenden Klinikstandorten in Weilheim und Schongau festzuhalten – beide mit hohen Defiziten, und letztlich zu klein und gleichzeitig zu groß um in gewohnter Art weiter nebeneinander zu überleben. Der Landkreis fügte sich trotzdem, entschied, eine der zwei Kliniken medizinisch deutlich abzuspecken – das geplante Zentralkrankenhaus ist Geschichte.
Soll sich sowas immer wieder wiederholen? In Bayerns Politik sind in den vergangenen Monaten massiv Bedenken gewachsen, die direkte Demokratie könnte die eh so heikle Klinikplanung zerschießen. Kaum einer spricht es gern laut aus, aber der Tenor heißt: Wenn überall die Bürger per Entscheid festlegen, ihre Kreisklinik keinesfalls zu schrumpfen, geht die Gesamtrechnung nicht mehr auf. Denn zwar kann das Bürgervotum die Planung auf Landesebene nicht überstimmen. Einfach nach Gutsherrenart schließen kann der Freistaat Krankenhausstandorte aber auch nicht, die auch auf kommunaler Ebene oft als GmbH betrieben werden, und ihm schlicht nicht gehören. Gleichzeitig steigt angesichts hoher Verluste und einer bisher noch nicht umgesetzten Krankenhausreform der Druck immer weiter.
Wahrscheinlich wird in der zweiten Jahreshälfte nun das Gesetz zur Bürgerbeteiligung umgebaut. Die Vorarbeiten dazu laufen am „Runden Tisch“ von Regierung, Opposition und vielen Vereinen und Verbänden. „Entschieden ist gar nichts“, schickt Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein voraus, der die Runde leitet, aber: „Es zeichnet sich ab, dass wir in diese Richtung steuern.“ Man wolle die Bürgerentscheide für 90 bis 95 Prozent der Politikfelder beibehalten, vielleicht mit etwas strengeren Fristen versehen, um Verfahren zu verhindern, die sich über Jahrzehnte hinziehen. Aber: Bei der Klinikplanung macht laut Beckstein ein Ausschluss Sinn.
Ähnlich sieht es auch Roland Engehausen, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, die die Interessen hunderter Kliniken im Freistaat vertritt. „Wir verstehen den Wunsch nach kommunalpolitischer Beteiligung“, sagt er unserer Zeitung. Wenn es um die Zukunft von Krankenhäusern geht, seien aus seiner Sicht aber „Planungssicherheit und Verlässlichkeit wichtiger“. Andernfalls drohten lange Hängepartien, die nicht zuletzt für die Mitarbeiter der Kliniken äußerst belastend werden könnten. Entscheidend sei gleichwohl, die „Veränderung vor Ort gut zu erklären“.
Beckstein führt im Gespräch mit unserer Zeitung zudem zwei Argumente an. Erstens sei die Planung der Krankenhäuser von strengen Vorgaben des Bundes geprägt, etwa bei Operations-Zahlen und Honoraren. Ein örtlicher Bürgerentscheid kann das nicht rechtsgültig brechen. „Hier wären die Enttäuschungen dann groß“, sagt der promovierte Jurist. Zweitens formuliert er eben die Sorge, „dass jeder bei sich alle Möglichkeiten der Krankenhäuser haben will“ – und das Gesamtbild nicht mehr zusammenpasst. „Beide Argumente führen dazu, dass ich mir vorstellen kann, dass eine breite Mehrheit empfiehlt, das Gesetz zu ändern.“HOR/CD