Das Interview: Bundeskanzler Friedrich Merz bei seiner Gesprächsserie in Kanada, hier Diana Zimmermann vom ZDF. © screenshot aus der interview-aufzeichnung
München – Der Gipfel in Kanada ist fast überstanden, Trump eh schon abgereist, doch der Kanzler, von kurzen Nächten übermüdet, muss sich nochmal voll konzentrieren. In einer Reihe stehen die großen Fernsehsender da, er gibt ein Interview nach dem anderen, ARD, ZDF, RTL und mehr. Den entscheidenden Satz sagt er dann im ZDF. Moderatorin Diana Zimmermann benutzt das Wort „Drecksarbeit“ in ihrer Frage, und Merz greift es auf: „Frau Zimmermann, ich bin Ihnen dankbar für den Begriff Drecksarbeit. Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle. Wir sind von diesem Regime auch betroffen. Dieses Mullah-Regime hat Tod und Zerstörung über die Welt gebracht.“
„Drecksarbeit“ – binnen Minuten geht der Begriff um die Welt, „dirty work“ übersetzen englischsprachige Medien. Darf man einen Krieg, das Töten von Menschen, als „Drecksarbeit“ bezeichnen? Und schimpft man damit den Iran als „Dreck“? Differenziert das zu wenig zwischen Regime und den unterdrückten Regime-Gegnern? Was nach einer recht philosophischen Fragestellung klingt, wirbelt in der Diplomatie viel Staub auf. Das Regime in Teheran hat am Mittwoch verärgert den deutschen Botschafter ins Außenministerium zitiert, was als eine scharfe Form des diplomatischen Protests gilt. Der Kanzler-Satz schade „dem Ansehen Deutschlands im Iran und international“, wurde dem Botschafter mitgeteilt.
Auch innenpolitisch gibt es Wirbel. Teile der SPD distanzieren sich. Der Abgeordnete Adis Ahmetovic, einer der wenigen Außenpolitiker in der Fraktion, sagt: „Diese Wortwahl hat in der SPD-Fraktion für Irritation gesorgt.“ Das oberste Ziel in dieser hochsensiblen Situation sei Deeskalation. „Die Tonalität des Bundeskanzlers ist an dieser Stelle wenig zielführend.“ Sein SPD-Fraktionskollege Ralf Stegner sagte dem „Spiegel“: „Wenn der Bundeskanzler sagt, Israel mache im Iran die Drecksarbeit für uns, ist das mehr als befremdlich.“
Scharfe Kritik kommt auch von Grünen, Linken und BSW. Der Münchner Grünen-Politiker Anton Hofreiter sagte dem Sender Welt TV: „Ich halte die Wortwahl für ungeschickt.“ Im Iran seien 80 bis 90 Prozent der Menschen gegen das islamistische Regime – „und bei den Angriffen Israels auf den Iran sterben auch Zivilisten“. Die Grünen verbreiten, Merz‘ Zitat sei „zynisch und ignorant“. Linken-Fraktionschef Sören Pellmann kritisierte: „Dass Kanzler Merz jetzt das Völkerrecht über Bord wirft und in die verheerende Logik eines Rechts des Stärkeren einstimmt, ist ein Skandal“ und beschädige das deutsche Bild weit über die Vereinten Nationen hinaus massiv. Die AfD nannte Merz‘ Äußerung „pietätlos und schädlich für Deutschlands Ansehen“.
Merz selbst mag sich der Aufregung nicht anschließen. „Diese Aussage hat überwiegend Zustimmung bekommen“, sagt er nach der Rückkehr nach Berlin. Es habe nur wenige kritische Stimmen gegeben, dazu wolle er sich nicht äußern. Die Union stellt sich hinter ihn. Kanzleramtsminister Thorsten Frei sagt: „Das, was der Bundeskanzler ausgedrückt hat mit seinen Worten, war, dass es auch in unser aller Interesse nicht sein kann, dass ein Terror-Regime wie das iranische Mullah-Regime in Besitz der Atomwaffe ist.“ Auch aus der CSU kommt Rückendeckung. Merz habe „deutlich gemacht, welchen Charakter das iranische Regime hat“, sagt Außen-Staatsminister Florian Hahn unserer Zeitung zur „Drecksarbeit“. Merz zeige, „was es für die Welt bedeuten würde, wenn ein Land, das die Vernichtung Israels propagiert, in den Besitz von Atomwaffen gelänge“.