KOMMENTARE

Putins Falle für Friedrich Merz

von Redaktion

Telefon-Angebot aus Moskau

Es klingt zunächst verlockend. Der neue Kanzler, der sich bislang so souverän auf der Weltbühne bewegt, greift zum Hörer, ruft Wladimir Putin an und erreicht, was seinem Vorgänger nie gelungen ist – zum Kremlherr durchdringen. Nicht scholzig-schlumpfig, sondern Klartext. Merz könnte als außenpolitischer Macher glänzen, und nun signalisiert Moskau sogar Gesprächsbereitschaft. Doch nach mehr als drei Jahren Krieg sollten wir gelernt haben: Wenn Putin zu reden bereit scheint, verfolgt er selten diplomatische Ziele.

Wer genau hinhört, erkennt in seinen Worten keine Einladung, sondern eine Drohung. Ja, man sei offen für ein Gespräch mit Merz – doch zugleich warnt der Kreml vor einem „sehr schweren Schaden“ für die deutsch-russischen Beziehungen, sollte Deutschland Taurus liefern. Putin tut so, als sei nicht er derjenige, der das bilaterale Verhältnis zwischen Berlin und Moskau längst beerdigt hat. Damit hält er Merz ein Stöckchen hin, über das er keinesfalls springen sollte. Der Kanzler darf sich nicht in ein Gespräch drängen lassen, nur weil Putin sagt: Ich nehme ab.

Es ist das immergleiche Spiel. Noch im Januar 2022 verhandelte das Normandie-Format (Berlin, Paris, Kiew, Moskau) – nur, damit Putin ein paar Wochen später seine Truppen aufmarschieren lässt. Zuletzt Istanbul: Der Kreml schickte irgendwelche Verhandler aus der dritten Reihe – und startete gleich darauf den größten Drohnenangriff jemals. Ein Mahnmal für Merz ist auch das Scholz-Telefonat vom November 2024. Kein inhaltlicher Fortschritt, aber Putin konnte innenpolitisch zeigen, dass Russland nicht isoliert ist. Der Friedenskanzler wirkte dagegen schwach und naiv, während sich Kiew (zurecht) übergangen fühlte.

Natürlich wird es eines Tages Gespräche geben müssen. Entscheidend ist die Ausgangslage. Ein solches Telefonat muss Teil einer gemeinsamen Strategie sein, also: eng abgestimmt mit Kiew, Washington, Paris und Warschau. Nur so bleibt klar: Berlin steht fest an der Seite Kiews – und nicht irgendwo zwischen Täter und Opfer. KATHRIN.BRAUN@OVB.NET

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