Kassen warnen vor dem Kosten-Schock

von Redaktion

Durch steigende Kosten für Medikamente und Arztbesuche drohe eine Beitragsspirale.

München – Die Prognosen sind düster, die Warnungen alarmierend. „Das Thema Finanzen beherrscht im Moment all unsere Gedanken“, sagt Doris Pfeiffer Anfang Juni. Sie ist die Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen (GKV). Praktisch die höchste Stimme, die Interessenvertretung aller gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen. Wenn Pfeiffer warnt, sollte also jeder Beitragszahler aufhorchen. So auch jetzt.

Auslöser für Pfeiffers alarmierende Worte sind die vorläufigen Zahlen für das Jahr 2024. Demnach sei die Finanzlage insgesamt „sehr instabil“, gar „dramatisch“. Für das vergangene Jahr haben die Krankenkassen ein Minus von 6,23 Milliarden Euro gemeldet – vorerst. Die endgültigen Daten werden „vermutlich noch schlechter“ ausfallen, prognostiziert Pfeiffer. Gewissheit wird es wohl Ende Juni geben.

Vor allem die steigenden Kosten für medizinische Leistungen und Medikamente sind der Auslöser für die Flaute in den Kassen der Kassen. Arzneimittel sind laut GKV im Vergleich zu 2023 um 9,5 Prozent gestiegen, Krankenhausbehandlungen um 8,3 Prozent (siehe Grafik).

Zu spüren bekommen haben das bereits Millionen von Versicherten. Anfang des Jahres hoben 82 der 94 Krankenkassen ihre Beiträge an, acht weitere folgten bis Mai. Für Anfang Juli haben erneut sechs Kassen eine Erhöhung beantragt. Um welche Kassen es sich dabei genau handelt, konnte die GKV nicht mitteilen. Techniker und DAK Gesundheit teilten auf Nachfrage mit, nicht zu den sechs Kassen zu gehören.

Immerhin: Für das laufende Jahr melden die ersten Kassen wieder schwarze Zahlen. So hat die AOK-Gemeinschaft im ersten Quartal ein Plus von 460 Millionen Euro erwirtschaftet, die Ersatzkassen, zu denen unter anderem die Techniker, die Barmer und die DAK-Gesundheit gehören, melden ein Plus von 755 Millionen Euro. Grundsätzlich sind das zwar gute Nachrichten, allerdings kein Grund zur Entspannung.

Denn jetzt gilt es, die drastisch gesunkenen Finanzreserven aufzufüllen. Diese lagen Ende 2024 bei 2,1 Milliarden Euro. Umgerechnet sind das sieben Prozent einer Monatsausgabe. Gesetzlich vorgeschrieben sind allerdings 20 Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 waren es noch 32 Prozent einer Monatsausgabe. „Wir haben Rekordbeitragssätze, wir haben nur noch sieben Prozent einer Monatsausgabe als Reserve und wenn nichts geschieht, wird sich die Beitragsspirale ungebremst weiterdrehen und die Zusatzbeiträge werden explodieren“, warnt die GKV gegenüber unserer Zeitung.

Vor allem der schwarz-rote Plan zur Stabilisierung der Beiträge stößt auf Unverständnis. Die Koalition plant – wie bei vielen Vorhaben – erst einmal eine Kommission einzusetzen. Zeitrahmen: bis Frühjahr 2027 sollen konkrete Maßnahmen erarbeitet werden. Zu spät laut Krankenkassen.

Deswegen fordert Pfeiffer auch ein Ausgabenmoratorium. „Mit anderen Worten: keine Preis- oder Honorarerhöhungen mehr, die über die laufenden Einnahmen hinausgehen“, erklärte sie jüngst in der „Rheinischen Post“. Dadurch würde laut GKV keine einzige Leistung wegfallen, aber die künftigen Preis- und Honoraranstiege etwa für Ärzte, Krankenhäuser und Arzneimittel würden sich an den Einnahmen orientieren. Konkret fordert sie eine vorläufige Regelung als ein sogenanntes Vorschaltgesetz – und das noch vor der Sommerpause.

Die neue Gesundheitsministerin, Nina Warken (CDU), ist noch nicht lange im Amt, bekommt aber schon das volle Arbeitspensum zu spüren. Presseanfragen unserer Zeitung an das Ministerium werden bislang nur spät und spärlich beantwortet. Gleichzeitig weiß Warken auch, dass es jetzt Tempo braucht.

Um Krankenkassendefizite zu verhindern, brauche es eine Kombination aus Haushaltshilfen und Reformen, wie sie der „Rheinischen Post“ sagte. „Das muss schneller gehen, als im Koalitionsvertrag vorgesehen“, findet auch sie. Im kommenden Jahr müsse ein Strukturpaket stehen. Von dem geforderten Ausgabenmoratorium hält Warken dagegen wenig. Sie wertet es viel mehr als einen Versuch der Kassen, auf die eigene schwierige Finanzlage aufmerksam zu machen. Und die ist alles andere als leicht.

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