Rückzug der Diplomatie? Die europäischen Außenpolitiker David Lammy, Jean-Noël Barrot, Kaja Kallas und Johann Wadephul (CDU, v. l.) nach dem Iran-Gipfel in Genf. © Trezzini/dpa
Berlin – Es dauerte keine zwei Tage, dann war klar: Deutschland und Europa stehen nach ihrer Aufsehen erregenden diplomatischen Initiative in Genf vom Freitag erst mal mit leeren Händen da. Der US-Präsident hatte sie düpiert. Vier Stunden hatten der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU), seine Kollegen Jean-Noël Barrot (Frankreich) und David Lammy (Großbritannien) sowie die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas in der Schweiz ihr ganzes diplomatisches Gewicht in die Waagschale geworfen, um zu verhindern, was US-Präsident Donald Trump nun befohlen hat.
Auch Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte sich persönlich in die Diplomatie eingeschaltet, die eine befürchtete Ausweitung der Kämpfe in der Region verhindern sollte. In Telefonaten beriet er mit dem sich ebenfalls als Vermittler sehenden türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und mit Kollegen aus der Golfregion.
Ein konkretes Ergebnis hatten das und die Gespräche mit Irans Außenminister Abbas Araghtschi zwar nicht gebracht. Aber Wadephul, seine Kollegen und mit Kallas auch die EU sahen das Fenster für Diplomatie wenigstens einen Spalt geöffnet. Weitere Gespräche mit dem Iran seien sinnvoll, machten die Europäer deutlich. „Das gute Ergebnis heute ist, dass wir den Raum verlassen mit dem Eindruck, dass die iranische Seite grundsätzlich bereit ist, über alle wichtigen Fragen weiter zu sprechen“, sagte Wadephul.
Mit den US-Angriffen in der Nacht könnte das Fenster der Diplomatie erst mal krachend zugeschlagen worden sein. Schon in der Nacht auf Samstag hatte Trump klargemacht, was er vom diplomatischen Vorstoß der Europäer hält: nichts. Die Vermittlungsbemühungen europäischer Staaten seien nicht zielführend, ließ er auf eine Journalistenfrage wissen. „Iran will nicht mit Europa sprechen. Sie wollen mit uns sprechen. Europa kann dabei nicht helfen“, fügte er hinzu.
Merz: Sofort weiterverhandeln
Merz sagt nichts Negatives über den US-Schlag. Er bekräftigte die Aufforderung an den Iran, „sofort Verhandlungen mit den USA und Israel aufzunehmen und zu einer diplomatischen Lösung des Konflikts zu kommen“. Merz holte am Sonntagmorgen erneut das Sicherheitskabinett der Bundesregierung zusammen, später beriet er sich mit den Kollegen aus Frankreich und Großbritannien. „Die Bundesregierung geht davon aus, dass große Teile des iranischen Nuklearprogramms durch die Luftschläge beeinträchtigt wurden“, teilte Merz‘ Sprecher noch mit.
Eines der wichtigsten Themen dürfte in Berlin jetzt die Sorge um die deutschen Staatsangehörigen in Israel, Iran und der ganzen Region sein – niemand weiß, wie stark ein iranischer Gegenschlag sein könnte. Schon in den vergangenen Tagen hatte die Bundesregierung mehrfach geholfen, ausreisewillige Deutsche und deren enge Angehörige mit Sonderflügen aus der jordanischen Hauptstadt Amman nach Deutschland auszufliegen. Die Deutschen mussten auf eigene Faust nach Amman reisen, weil der Luftraum über Israel gesperrt ist. Am Samstag landeten nun aber auch zwei Maschinen der Bundeswehr mit 64 deutschen Israel-Rückkehrern am Flughafen Köln/Bonn. Die Luftwaffe hat damit erstmals seit Beginn des Krieges zwischen Israel und dem Iran vor rund einer Woche deutsche Staatsbürger direkt aus Israel ausgeflogen.
Die Bundesregierung sorgt sich zudem, ob der Iran auch Stützpunkte der USA in der Region angreift. Da geht es um die Sicherheit der deutschen Soldaten, die auf dem Luftwaffenstützpunkt Al-Asrak in Jordanien Seite an Seite mit US-Soldaten stationiert sind. Es dürften rund 180 Bundeswehrsoldaten sein. Zusammen mit einem deutschen Kontingent im irakischen Erbil beteiligen sie sich am internationalen Einsatz zur Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und zur Stabilisierung des Iraks.