Zerbricht die Regierung am Mindestlohn?

von Redaktion

Kracht es bald zwischen Kanzler und seinem Vize? © dpa

Berlin – Der Mindestlohn könnte schon bald auf 15 Euro steigen – das würde für Millionen Menschen in Deutschland mehr Geld bedeuten. Am heutigen Freitag gibt die für die Festlegung der Höhe zuständige Mindestlohnkommission bekannt, wie sich die unterste Lohngrenze entwickeln soll. Sozialverbände fordern schon lange 15 Euro.

Auch die SPD geht mit der Position offensiv hausieren – obwohl die unabhängige Kommission und nicht die Politik über den Mindestlohn entscheiden soll. Eigentlich. Denn: Sollte es nicht so laufen, wie die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen, droht großer Zoff mit der Union.

Über 1,4 Millionen Menschen arbeiteten 2024 für Mindestlohn. Aktuell liegt der bei 12,82 Euro. Jede und jeder Sechste ist darüber hinaus im Niedriglohnsektor beschäftigt, bekommt also nicht mehr als 13,79 Euro pro Stunde. Diese und noch mehr Menschen würden von einem Mindestlohn von 15 Euro profitieren. Doch die Entscheidung über den Mindestlohn ist nicht ohne Weiteres politisch kontrollierbar.

Denn nicht (mehr) die Koalitionsparteien beschließen mit Mehrheit einen neuen Mindestlohn. Da das Thema oft zu heftigem Streit in der Regierung führte, entschloss man sich 2015, den Prozess auszulagern; in eine unabhängige Kommission mit je drei Vertreterinnen und Vertretern von Arbeitnehmern und Arbeitgebern und einem Vorsitzenden aus der Wissenschaft. Sie sollen sich einigen und nach einer Gesamtabwägung Empfehlungen zur Höhe des neuen Mindestlohns geben. Die Politik will das Resultat akzeptieren und es dann als Gesetz beschließen. So zumindest die Theorie.

Denn: Dass die SPD-Forderung von 15 Euro durchkommt, ist keineswegs sicher. Zwar muss sich die Kommission an gesetzliche Vorgaben halten, wie die Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Arbeit und Soziales, Annika Klose, vor Kurzem unserer Redaktion sagte: Die Kommission orientiere sich „bei ihren Empfehlungen an der EU-Mindestlohn-Richtlinie“. Die nennt für die Mindestbezahlung 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten. Damit läge der Mindestlohn in etwa bei den angedachten 15 Euro. Klose zeigt sich deshalb optimistisch.

Doch schon in der Vergangenheit hat die Kommission in der Gesamtabwägung einen niedrigeren Mindestlohn empfohlen – zum großen Ärger der SPD. Selbiges könnte nun wieder passieren.

Zwar steht im Koalitionsvertrag: „An einer starken und unabhängigen Mindestlohnkommission halten wir fest.“ Doch der rote Juniorpartner hält sich dieser Tage bewusst die Option offen, bei einem aus ihrer Sicht unbefriedigendem Ergebnis politisch einzugreifen. „Wir machen uns natürlich darüber Gedanken, was passiert, wenn es zum Beispiel keine Einigung gibt. Oder was passiert, wenn es eine Einigung gibt, die deutlich unter 15 Euro ist“, sagte SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf Anfang der Woche.

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