In der Kritik: Der EU-Kommission unter Ursula von der Leyen wird vorgeworfen, NGOs für gezielte Lobbyarbeit bezahlt zu haben. © Nicolas Maeterlinck/dpa
München – Die Vorwürfe klingen ungeheuerlich: Seit Jahren schon sollen Vereinbarungen zwischen der EU-Kommission und Umweltverbänden laufen, geheim und mit delikatem Inhalt. Angeblich bezahlt die Brüsseler Behörde die NGOs dafür, gegen bestimmte Projekte zu kämpfen, die nicht zur EU-Agenda passen. Das zumindest berichtete vor einiger Zeit die „Welt am Sonntag“. Lobbyiert werde unter anderem gegen Kohlekraft, Pestizide und Freihandelsabkommen.
Das wäre, wenn es stimmte, gleich auf mehrfacher Ebene problematisch. Nicht nur würde die Kommission mit dem Versuch, über NGOs das EU-Parlament zu beeinflussen, die Gewaltenteilung beschädigen. Sie würde auch gegen die wirtschaftlichen Interessen einzelner Mitglieder agitieren, etwa mit Blick auf die Kohlekraft in Deutschland.
Die Debatte ist nicht neu. In der Vergangenheit kritisierte der Europäische Rechnungshof die Intransparenz bei der Vergabe von Fördergeldern an NGOs. Auch das EU-Parlament debattierte mehrfach über die Vorwürfe. Vor allem die konservative EVP wittert ein Problem. Der Niederländer Dirk Gotink etwa meint, die Kommission habe die NGOs zum „Schattenlobbying“ genutzt. Laut der CSU-Abgeordneten Monika Hohlmeier enthalten die Verträge Vorgaben, um den Gesetzgebungsprozess im Parlament zu „manipulieren“. Kritisiert wird auch, dass eben jene Verträge geheim gehalten würden. Die EU-Kommission bestreitet das.
Fakt ist: Seit 2020 fördert die Kommission unter Ursula von der Leyen bestimmte Umwelt-NGOs im Rahmen des „Life“-Programms. Zuletzt bekamen 34 Organisationen „Betriebskostenzuschüsse“, insgesamt rund 15 Millionen Euro pro Jahr. Wer wie viel Geld bekommt, ist online einsehbar. Offiziell steckt die Idee dahinter, eine gewisse Waffengleichheit zwischen den finanzstarken Lobbyverbänden aus der Wirtschaft und den eher klammen zivilgesellschaftlichen NGOs herzustellen. Geheim ist all das nicht.
Die heikle Frage ist, ob sich die Organisationen von EU-Beamten eine bestimmte Agenda diktieren ließen, als Gegenleistung für das erhaltene Geld. Die NGOs bestreiten das vehement. Die „Health and Environment Alliance“ (HEAL), die gegen den Einsatz von Pestiziden kämpft und 2024 rund 700 000 Euro Fördergeld bekam, betont etwa: „Zu keinem Zeitpunkt in HEAL’s nun 20-jähriger Geschichte hat die EU-Kommission Einfluss auf HEALs Arbeitsprogramm und unsere Aktivitäten genommen.“
Die „Welt“ berichtet indes von detaillierten Absprachen in den Vertragstexten. So habe etwa die Generaldirektion Umwelt die NGO „Friends of the Earth“ angeheuert, um das Mercosur-Freihandelsabkommen zu torpedieren und es „in seiner derzeitigen Form“ zu stoppen. Einen handfesten Beleg dafür, dass EU-Beamte der NGO dieses Ziel vorgaben, bleibt der Bericht schuldig. Die Kommission erklärte gegenüber „Zeit online“, für die im Text formulierten Programme seien „allein die NGOs verantwortlich“. Auch das Online-Portal „Politico“, das 28 der Verträge prüfte, bilanziert, nirgends mache die Kommission den NGOs direkte Lobby-Vorgaben.
Ein Problembewusstsein schein es in der Behörde aber zu geben. Anfang April gestand die Kommission ein, dass die Arbeitsprogramme der NGOs „in manchen Fällen (…) unzulässige Lobbying-Aktivitäten“ enthielten. Man habe „Maßnahmen ergriffen, um solche Fälle in Zukunft zu vermeiden“. Inzwischen dürfen etwa keine NGO-Aktivitäten mehr gefördert werden, die EU-Institutionen betreffen.