Ein schwieriger Parteitag: Lars Klingbeil und Bärbel Bas, das neue Führungsduo der SPD. © dpa
München/Berlin – Manchmal kann Politik sehr grausam sein. Die Verkündung des Ergebnisses hat erst begonnen, aber Lars Klingbeil weiß schon, dass es jetzt ganz bitter wird. 619 Stimmen wurden bei seiner Wahl zum Parteivorsitzenden abgegeben, davon 402 mit Ja. Weiter kommt die Verkündung nicht. Denn es setzt fast trotziger Beifall ein. Der Parteivorsitzende ringt sich ein Lächeln ab. Es ist gequält. Klingbeil erhebt sich. Bärbel Bas, seine neue Kollegin an der Parteispitze, umarmt ihn. Da pirscht sich von hinten Saskia Esken heran. Auch sie drückt den 47-jährigen Niedersachsen innig. Es ist eine sehr symbolische Geste, denn zumindest ein Teil der Ohrfeige für den Parteichef ist auf seinen Umgang mit Esken zurückzuführen. Und als der Beifall dann schließlich endet, wird die ganze Dimension dieses Ergebnisses deutlich. 166 Delegierte haben explizit mit Nein gestimmt. Das macht 64,9 Prozent Zustimmung.
Unterschiedlicher könnte die Stimmungslage der beiden künftigen Vorsitzenden also kaum sein. Die Duisburgerin Bärbel Bas wird gefeiert, sie bekommt 95 Prozent. Davon war Klingbeil schon 2023 mit 85,6 Prozent ein gutes Stück entfernt. Aber jetzt? 64,9 sind das zweitschlechteste Ergebnis eines SPD-Chefs aller Zeiten. Nur Oskar Lafontaine hatte 1995 mit 62,6 Prozent noch weniger Zustimmung bekommen – allerdings mit einem Gegenkandidaten, Rudolf Scharping. Vor allem ist es weit schlechter als die 74,3 Prozent, die Sigmar Gabriel 2015 bekam und die mittelfristig sein Ende als Parteichef einläuteten.
„Das Ergebnis ist für mich ein schweres Ergebnis“, sagt der Vizekanzler, als er sich schließlich ein wenig gefangen hat. Er hätte sich gewünscht, der ein oder andere hätte diesen Unmut auch in der Debatte geäußert. Zugleich verteidigt er seine Entscheidungen der letzten Monate: „Es war richtig, dass wir uns neu aufgestellt haben, um zu Stärke zurückzukehren.“
Klingbeil begegnet dem Parteitag denkbar demütig. Er räumt Fehler im Wahlkampf ein und in seinem Verhalten nach der Wahl. Er trage ohne Frage Verantwortung für das historisch schlechte Ergebnis von 16,4 Prozent. Er bittet seine Partei fast inständig, dass sie „nach einer Klartext-Aussprache über die letzten Monate“ wieder gemeinsam nach vorne schauen möge. Doch die Debatte bleibt verhältnismäßig zahm. Umso härter fällt dann das Ergebnis aus.
Das schlechteste Bundestagswahl-Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik in solchen Situationen sind schon Parteichefs zurückgetreten. Klingbeil aber griff im Februar nach der Macht und machte sich zum Hauptansprechpartner für Wahlsieger Friedrich Merz bei den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen. Auf dem Parteitag versichert Klingbeil, er habe „nicht aus Selbstzweck“ gehandelt, „sondern weil ich alles dafür tun will, dass unsere Partei wieder stark wird“. Nach der Wahl habe es für ihn nur zwei Möglichkeiten gegeben: „Entweder ich höre auf oder ich gehe voll in die Verantwortung für die SPD.“
Bas kommt in Berlin deutlich besser an. Sie übt deutliche Kritik am Umgang der Partei mit Esken. Diese habe erleben müssen, „dass Solidarität nicht immer selbstverständlich ist – auch nicht in der Sozialdemokratie“. Doch wenn die SPD für eine solidarische Gesellschaft kämpfen wolle, müsse sie zuallererst eine solidarische Partei sein. „Sonst glaubt uns das keiner!“ Esken selbst hatte vor dem Parteitag gesagt, sie habe sicher Fehler gemacht. „Aber die Art, wie Häme über mich ausgekübelt worden ist, war unverhältnismäßig und würdelos.“
Mit ihrer Umarmung für Klingbeil setzt sie ein Zeichen der Solidarität. Weil sie weiß, wie er sich fühlt.(MIT DPA)