Bilder können eine überwältigende Kraft entwickeln. Die Bilder aus Budapest, wo Zig-, vielleicht Hunderttausende an der Pride-Parade teilnahmen, strahlen diese Kraft aus. Just die Veranstaltung, die die Orbán-Regierung verbieten wollte, war stärker besucht als jede ihrer Vorgänger.
Bilder können aber auch in die Irre führen. Sicher, es ist ein wundervolles Zeichen von Liebe, Toleranz und Vielfalt, wenn so viele Menschen den Daumenschrauben der Regierung trotzen und für Werte einstehen, die im illiberalen Ungarn systematisch unterdrückt werden. Doch auch wenn es ein Votum gegen den Ministerpräsidenten war, bricht deshalb noch nicht zwangsläufig die Orbán-Dämmerung an. Dass das weltoffene Budapest sich bei der nächsten Wahl 2026 gegen Orbán und seine Fidesz-Partei stellen wird, war auch vor diesem Wochenende absehbar. Entschieden wird die Wahl woanders. Wie in vielen Staaten, zuletzt Polen, wird das Stadt-Land-Gefälle eine gewaltige Rolle spielen. In der Provinz aber dürfte der CSD auf wenig Euphorie gestoßen sein.
Es ist deshalb zwar bedauerlich, aber nachvollziehbar, dass Orbáns Kontrahent Peter Magyar der Parade fernblieb. Auf dem Land verfängt die Propaganda des Machtapparats ungleich stärker, gerade über die staatlichen Medien, die stramm auf Orbán-Kurs sind. Einen Herausforderer im CSD-Spektakel hätten sie als Beleg für den Einfluss des verlotterten Westens gedeutet. Auch in den Redaktionen weiß man, welch verführerische Kraft in bunten Bildern steckt. Marc.Beyer@ovb.net